Und plötzlich waren die da, die es können: Bundesrat Berset, Bundesrätin Amherd, Bundesrat Parmelin, Bundesrat Maurer – das ganze Kollegium. Und plötzlich war auch das Vertrauen in die da, die es können.
Ein demokratisches Wunder?
Vorhergesehen hatte es niemand. Ein neues Sars-Virus? In China? Grippe in abgewandelter Form! Warten wir mal ab... Das war doch die Reaktion in den ersten Tagen, als Pekings Diktatur die Stadt Wuhan unter Quarantäne stellte und das amtliche Schweigen brach, das sie über Wochen verordnet hatte, um ihr Regime nicht schwach erscheinen zu lassen.
Jetzt kämpft die ganze Welt um die Bewältigung eines Elends, das eigentlich in China einzugrenzen gewesen wäre, nun aber in seiner Grenzenlosigkeit der masslos gefeierten Globalisierung eine finstere, nahezu unterweltliche, danteske Aura verleiht.
In der Schweiz ringt die Regierung um Entscheide. Waren sie bisher alle die richtigen, wenigstens die bestmöglichen? Vielleicht nicht. Wahrscheinlich nicht. Wie auch anders? Bundesräte müssen lernen, was sie nicht wissen konnten; nicht minder ihre Fachberater aus Medizin und Forschung.
Das lernende System, das wir gerade erleben, dem wir uns anvertrauen, das unsere Existenz bestimmt – es heisst: Demokratie. Und Demokratie heisst: Rechtsstaat.
Sind die Namen Berset, Amherd, Parmelin, Maurer, sind die Namen der sieben Bundesräte Namen von Heldinnen und Helden? Es sind die Namen von Gewählten. Insofern stehen sie jetzt gerade zufällig vor einer historischen Aufgabe: intelligente Menschen voller Hingabe an ihre Pflicht, an ihre Verantwortung – genau so, wie es ihre Vorgänger am gleichen Platz gewesen wären.
Hat also, was wir mit Staunen und Befriedigung zur Kenntnis nehmen, nichts zu tun mit der ganz persönlichen Tüchtigkeit dieser Minister? Doch: Das Können und die Kompetenzen der sieben sind ja völlig unterschiedlich.
Die Zahl Sieben steht für eine ganz besondere Qualität des schweizerischen Regierungssystems: die Kollegialität. Das Kollegium der Bundesräte zwingt zum Lernen des einen vom andern, zum Erwägen und Bereden und Vertrauen.
Im Bundeshaus sind Menschen am Werk. Nicht Masken wie der starr lächelnde Xi Jinping, der jetzt über der Diktatorenmaske die Corona-Maske trägt. Ja, Gewaltherrscher benötigen Schutz, niemand darf ihre Mimik lesen, sie könnte Schwäche verraten.
Die Schweizer Regierenden treten jeden Tag mit offenem Gesicht vor die Bevölkerung, vor die Wählerinnen und Wähler, die sie beurteilen dürfen, sollen, müssen, weil die Demokratie in jedem Fall – auch ohne Corona – eine nie abbrechende Bewährungsprobe für Politiker darstellt.
Der Münchner Journalist Jan Fleischhauer beschreibt die Situation der höchsten Verantwortlichen der Demokratie in Zeiten von Corona so: «Ich möchte jetzt kein Politiker sein. Auch das, was heute moralisch geboten scheint, kann übermorgen unmoralische Folgen haben. Das ist eine Lage, in der es unendlich schwer ist, das Richtige zu tun.»
Getan werden muss es: von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag – das ist die Tapferkeit, die wir den verantwortlichen Politikern abverlangen.
Allerdings ist ihr Handeln eben auch Handeln in einem System, das sie stützt: Das Gesundheitssystem ist ausgebaut, das Sozialsystem ebenso, die Finanzordnung erlaubt dem Staat das Schuldenmachen, also das Stützen der Wirtschaft.
Soziales Netz nennt sich diese Verästelung eines Systems, das dem Gemeinwohl dient. Dessen Segnungen, wie man sie unter dem Eindruck von Corona ohne Übertreibung bezeichnen darf, waren allerdings nicht schon immer da. Sie wurden erkämpft – gegen die Widerstände markthöriger Feinde des starken Staats, die ihr Heil im Privatisieren erblickten.
Der Sozialstaat ist eine Schöpfung der Verantwortungspolitiker in den Verantwortungsparteien, allen voran der Sozialdemokraten, aber auch der sozial sensiblen Christdemokraten und der gesellschaftlich verpflichteten Freisinnigen.
In Zeiten tiefster Verunsicherung steht für die Schweizer eines fest: Sie haben es gut gemacht bisher, sie machen es auch jetzt gut. Und ihre Regierung ist gut – so wie sie ist, so wie sie handelt.
Noch besser wird die Schweiz danach.