Frank A. Meyer – die Kolumne
Der Unterführer

Publiziert: 16.02.2020 um 12:16 Uhr
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Frank A. Meyer

Es ist eine Frau, die es sagt. Die es wagt. Was sagt? Was wagt? Dass die Suche nach einem Parteipräsidenten der SVP nicht mit freier Auswahl und Wahl zu tun hat, sondern mit Berufung und Bestimmung durch den Einzigen.

Natürlich formuliert Nationalrätin Yvette Estermann ihre Vorbehalte mit Bedacht: «Der Prozess ist so aufgegleist, dass die Parteispitze den Delegierten einen Präsidenten empfehlen wird, der Christoph Blocher genehm ist.»

Dann lässt die Nationalrätin noch zwei Sätze folgen, in denen sie beschreibt, wie der Geist des Gebieters das Geschehen lenkt: «In der Fraktion sind nicht alle bereit, auch einmal ihre eigene Meinung zu vertreten. Denn da wird man rasch einmal zurechtgewiesen.»

Schliesslich erklärt die Politikerin, die in der damals kommunistischen Tschechoslowakei geboren wurde: «Ich habe meine Jugend in einer Diktatur verbracht und reagiere auf solche Tendenzen sehr sensibel.»

Ja, so steht’s mit der politischen Kultur der SVP: Der Oligarch diktiert den Duckmäusern das Denken. Und jetzt diktiert er ihnen eben mal wieder einen Parteipräsidenten. Den wie wievielten? Die Frage ist nicht zu beantworten, denn die Partei der rechten Populisten hatte eigentlich noch nie einen.

Wer sich im SVP-Präsidentenamt installieren liess, war im Grunde immer nur Befehlsempfänger Blochers. Auch Ueli Maurer, dem nachträglich Eigenständigkeit attestiert wird. Erst als Finanzminister ist er endlich er selbst – und nicht einer von Gnaden des Herrn.

Das Suchen nach einem politischen Frühstücksdirektor der SVP wird nicht zu einem wirklichen Parteipräsidenten führen. Wer schon frühmorgens denkt, was der Besitzer der Partei denken könnte, kommt nicht in Versuchung, eigenständig zu denken. Autoritäre Systeme funktionieren nun mal so. Reibungslos.

Und so funktioniert auch die Demokratie, wie Christoph Blocher sie sich vorstellt – in seiner Partei hat er die längst verwirklicht. Er steht auch dazu, wie er im Interview mit einer Schülerzeitung 1998 freimütig für den Fall erklärte, dass er in der Schweiz die Macht übernähme – die alleinige Macht, versteht sich:

«Der Schweiz ginge es besser (...) Die Leute hätten nach wie vor etwas zu sagen (...) Ich würde eine wirksame Opposition zulassen, sie sogar fördern, denn sie hilft einem, richtig zu führen, weil man auch die andere Seite sieht.»

Bürger – «die Leute».

Opposition – «zulassen».

Nun benötigt der Führer dringend einen neuen Unterführer. Die Partei, die sich als Bewahrerin des Patriotismus sieht, als Bollwerk gegen die Unterwerfung der Schweiz unter Brüssels Befehle – sie ist eine Partei von Befehlsempfängern.

Aber das wissen wir doch alles längst. Wir dulden es auch längst. Wir wählen es. Die SVP ist noch immer die wählerstärkste Kraft in der Schweizer Politik.

Und wie es nun mal die Regel ist: Wo die Macht hockt, da erstarren Journalisten in Bewunderung. Zu lesen und zu hören ist seit Jahren und in allen Grossmedien des Landes das kniefällige Loblied vom «Vordenker Blocher», vom «Übervater Blocher», vom «Parteivater Blocher».

Wem so gehuldigt wird, der kommt gar nicht auf den Gedanken, er könnte vom hohen Ross heruntersteigen, damit seine Partei endlich eine Partei wird.

Eine mit einem Präsidenten.

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