Die Kolumne
Tell oder Vasall?

Publiziert: 00:01 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
FAM.jpg
Frank A. MeyerPublizist

Einen Goldbarren mit gravierter Widmung haben sie ihm dargebracht – dazu eine Rolex für seinen Schreibtisch! Doch in der Hand von Donald Trump wandelt sich Gold in Klimbim, eine Präzisionsuhr zum Klunker. Ja, das Kitschimperium des Präsidenten der USA entwertet sogar feinstes Schweizer Handwerk.

Die Überbringer der Gaben waren demnach genau die richtigen.

Die Aufwartung der reichen Schweizer im Oval Office geriet zum Kotau vor dem Pult des Weltenlenkers, zum Knierutsch – zur Herabwürdigung der Eidgenossenschaft. 

Swatch-Patron Nick Hayek, ein Unternehmer von Schrot und Korn, brachte die Peinlichkeit auf den Begriff: «Sind wir Wilhelm Tell oder ein Vasall?» Die Frage war auch schon die Antwort.

Und jetzt: Schwamm drüber?

Nein! Es geht nämlich um weit mehr als um eine Potentaten-Posse. Es geht um Politik. Oder, präziser ausgedrückt, um die Entmachtung der Politik durch das Geschäft, weltweit längst zu einer einprägsamen Vokabel geronnen: dem Deal.

Denn das ist es, was hier gerade geschieht: Politik – als Ausdruck der Freiheit, als Urelement der Demokratie, wie Hannah Arendt sie sah – soll endlich, endlich ersetzt werden durch Geld als Mittel und Zweck der Macht, als Urelement der Herrschaft.

Die Schweizer Sendboten im Amtszimmer des Portemonnaie-Potentaten brachten nur zum Ausdruck, wie weit diese Philosophie schon vorgedrungen ist: bis in die Poren freiheitsgeübter Gesellschaften, wozu man die Schweiz ohne jede Übertreibung zählen darf.

Zählen durfte?

Wer die finanzstarken Schweizer Unternehmer waren, die vor Trump den Diener machten, spielt im Grunde keine Rolle. Aber man kann sie, man darf sie unsere kleinen Musks nennen, unsere kleinen Thiels, unsere kleinen Zuckerbergs – um nur die bekanntesten Posterboys des neuen Kapitalismus zu erwähnen.

Elon, ihr grösster, ihr brillantester, ihr vermögendster, macht vor, wie die Geschicke der Menschen und Nationen künftighin zu regeln sind: mit Deals statt Politik, mit den Diktaten von Geldmächtigen statt den Entscheiden von demokratisch Ermächtigten.

Nein, die von den Tech-Giganten ersehnte Diktatherrschaft ist keine Diktatur, jedenfalls noch keine, kann sich doch jeder daran beteiligen, wenn er bloss über die nötigen Mittel verfügt. Wer nicht darüber verfügt, der muss sich halt ein bisschen anstrengen – bis auch er es geschafft hat. Und wenn nicht, tja: Dann eben nicht.

Dies wäre das System des ökonomischen Darwinismus: Der Stärkere überlebt, der Stärkste herrscht, die nicht ganz so Starken fächeln ihm zu – in einer Art gelddurchlässiger Monarchie. Donald Trump wäre, wie er schon verkündete, gerne König. Doch die mächtigste Demokratie der Welt wird ihm den Thron unter dem Hintern wegziehen, noch bevor er sich gesetzt hat.

Zunächst hat ihm die Schweizer Politik schon mal 24 Zollprozent Ermässigung abgerungen: nur 15 statt wie bisher 39 auf Einfuhren in die USA. 

Vielleicht wäre es besser, mit weiteren Wallfahrten nach Washington noch ein wenig zu warten.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen