Die Kolumne
Spiel oder Ernst

Publiziert: 00:01 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
FAM.jpg
Frank A. MeyerPublizist

Das liebt der Schweizer Journalismus: Oberlehrer spielen. Wie neuerdings wieder mit einem Beitrag im Zürcher «Tages-Anzeiger»: «Keller-Sutter taucht im Bundesrats-Ranking». Darin werden Bundesräte nach Beliebtheitsnoten sortiert.

Diesmal aber geht es bei der Notengeberei um etwas Ernsteres, denn Karin Keller-Sutter ringt gerade mit der UBS, der letzten verbliebenen Schweizer Grossbank. Der Streit geht um die Höhe des Eigenkapitals – Sicherheitskapital! –, das dem Geldhaus einen Absturz nach dem Muster der CS ersparen soll. Und der Einsatz bei diesem Spiel sind die Milliarden, die im Interesse eben jener Sicherheit hinterlegt werden sollen.

Natürlich ist die Sicht der Dinge vonseiten der Bundesrätin – also des Bundesratskollegiums – eine andere als die des UBS-Chefs Sergio Ermotti. Da scheiden sich die Geister, und so soll es nun mal sein in der Demokratie.

Was aber heisst: So soll es sein? Ist da ein Zweikampf Bundesrätin gegen Bankenboss im Gange? Dann wäre Demokratie ein Sportereignis. Karin Keller-Sutter vertritt allerdings keine Seite in einem Wettkampf.

Sie vertritt die Politik.

Wer hat in der Demokratie das Sagen: die Regierung – oder ein privates Weltunternehmen der Finanzbranche?

Die Antwort ist nicht sonderlich kompliziert: Die Politik in Gestalt der Bundesrätin personalisiert die Regierung; die Regierung personalisiert das Parlament; das Parlament wiederum personalisiert die Bürgerschaft.

So ist die Demokratie geordnet – in einer Ordnung der Freiheit und damit auch in einer Ordnung der Unordnung, ohne die gelebte Freiheit gar nicht möglich wäre.

Also bringen wir ein wenig Ordnung ins gegenwärtige Durcheinander: Sergio Ermotti will Keller-Sutters Bundesratskollegen mitsamt Parlament durch geschickte Spielchen auf seinen Kurs bringen: durch Hintertürchen, durch Manöver hinter den Kulissen, nicht zuletzt durch die unausgesprochene Drohung, dass die UBS ihren Sitz ins Ausland verlegen könnte.

Schluss mit Paradeplatz.

Dann allerdings müsste auch Schluss sein mit dem marketingmächtigen S im Markennamen UBS. Schon das Denkspiel, die Schweiz zu verlassen, ist ein mieses Spiel: Der Schweizer Bankenplatz ist keine Schöpfung von Grossbank-Managern, sondern die einer der leistungsfähigsten, der tüchtigsten Ökonomien der Welt.

Es ist noch gar nicht lange her, da wurden die Finanzinstitute von praktizierenden Unternehmern geführt, die mit beiden Beinen fest auf Schweizer Boden standen. Im Übrigen trugen diese Patrons ganz persönlich die Verantwortung für ihre Unternehmen.

Nicht nur «Banquiers», als die man sie damals nobel bezeichnete, waren stolz auf den Finanzplatz. Die ganze Schweiz war es. Genauso wie sie stolz war – und stolz ist – auf ihre Pharmaindustrie, auf ihre Uhrenindustrie, auf ihre Maschinenindustrie.

In unserer Zeit der akademischen Wichtigtuerei ist die Wertschätzung für die wertschöpfende Wirtschaft leider verloren gegangen. Doch die Schweiz bleibt ein Land der konkreten Kreativität – und der politische Kampf um unser grösstes Kreditinstitut dreht sich genau um diesen Widerstreit zwischen konstruktiver Sicherheit und glücksritterhaftem Vabanquespiel.

Das eine ist Politik im Interesse der Schweiz, knallhart vertreten durch Karin Keller-Sutter.

Das andere ist Interessenpolitik der grössten Schweizer Bank, so kalt wie charmant vertreten durch Sergio Ermotti.

Im journalistischen Ranking ist die Kämpferin aus St. Gallen zurückgefallen. Ja und? Wer das Auf und das Ab der Politik nicht kennt, macht keine Politik – jedenfalls keine im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern.

Der flotte Signor Sergio kann nicht stürzen. Er muss schlimmstenfalls seine Siebensachen packen, nämlich seine Millionen. Aber da er seine Arbeit bis anhin gut gemacht hat, kann er gern auch bleiben.

Und politisch zur Vernunft kommen.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen