Was müssen wir da lesen? Oder sollte es heissen: Was dürfen wir da lesen?
Zum Beispiel den Zeitungstitel «Politiker fordern Härte mit Linksradikalen». Oder den Zeitungstitel «Strassenkampf statt Friedenszeichen». Oder den Zeitungstitel «Die Linken und ihr Gewaltproblem». Oder den Zeitungstitel «Es braucht ein Verbot der Antifa und des schwarzen Blocks».
Weshalb ist hier so eindringlich von «Zeitungstiteln» die Rede? Weil sie allesamt dem gleichen Blatt entstammen: Zürichs «Tages-Anzeiger» – mithin einer Redaktion, die zumindest bisher als linksgrün angehaucht gelten durfte. Nun aber sind die Kollegen dort offenbar vom Zorn ergriffen: über die Linksgrünen, die in Bern ausser Rand und Band gerieten, sich sogar – auch dies ist dem Zürcher Blatt zu entnehmen – in eine «Gewaltorgie» hineingesteigert haben, diesmal unter dem Motto: Für Palästina, gegen Israel … Antisemitismus inklusive.
Es brannten Autos und Restaurants, was nicht niet- und nagelfest war, wurde zertrümmert, 18 Polizisten blieben verletzt auf der Strecke. Es hätte, wie ebenfalls zu lesen war, «auch Tote geben können».
Tote an einer politischen Demonstration in der Schweiz? Eigentlich undenkbar. Zwar scheint die westliche Welt allgemein in Aufruhr, von Berlin über London bis Paris. Dieser Tage aber müssen wir zu allem Überfluss lesen:
«Die Schande von Bern schockiert die Schweiz.»
Was geht da gerade vor sich? Linksgrün offenbart, was es bedeutet, linksgrün zu sein. Bislang gehörte es in bürgerlichen Kreisen zum guten Ton, Anliegen der Linksgrünen das Gute und Wahre zuzuschreiben, das sie, leider, leider, etwas allzu laut unter die Leute brachten: Kampf ums Klima, Kampf für die Geschlechtergerechtigkeit, Kampf gegen den Neoliberalismus – wer konnte dagegen sein, ohne sich zu schämen?
Heute sollen sich plötzlich – quasi aus dem Stand – die linksgrünen Lichtgestalten schämen, ihre Regenbogenflaggen einrollen und sich trollen, wenn nicht sogar vor den Richter treten und sich für ihre Gewalttätigkeit verantworten!
Wer kennt sich da noch aus? Was soll man da noch schreiben – wenn nicht das Gegenteil von gestern und vorgestern und vorvorgestern?
Ja, die Geduld mit den akademischen Radaubrüdern war lang. Heute ist die Generation der Altachtundsechziger über ihre gewalttätigen Kinder und Grosskinder empört, lebten sie selber doch bisher in der Gewissheit, die demokratische Kultur sei ihr Zuhause, ihr ureigene politische Heimat – sie verströmen freisinnigen Gründergeist, sie politisieren liberal-gemeinsinnig und zeigen sich immer auch sozial- und christdemokratisch sensibel. Vorab und vor allem aber fühlen sie sich unerschütterlich der Freiheit des Einzelnen verpflichtet.
Schweizer Bürger dieser Zeit – Schweizer Bürgerschaft.
Bisher galt es für sie als patriotische Pflicht, dem Andersdenkenden, dem Widerstreitenden, dem Abweichenden lustvoll-kämpferisch zu begegnen – durchaus auch polemisch, letztlich jedoch respektvoll.
Bürgertum vom Feinsten.
Das war die Schweiz. Ist sie es noch? Denn in Bern machten sich unverkennbar Feinde der bürgerlichen politischen Kultur an ihr zerstörerisches Werk. Sie sind schon lange auf ihrem Marsch in die linksgrün-autoritäre Gesellschaft: dorthin, wo sie diktieren, was korrekt, was erlaubt und was verboten ist.
Es geht ihnen nicht um Klima-, Geschlechter- und soziale Gerechtigkeit. Es geht ihnen um die Macht. Um linksgrüne Kulturmacht, die mit ihrem moralgesteuerten Glaubenssystem den Alltag bestimmt – und die einfachen Bürgerinnen und Bürger nach ihrem Willen zu erziehen versucht.
Die Brandstifter sind oben, die Büezer unten.
Die Ausschreitungen sind kein Berner Sonderfall. Auch was in Paris und Berlin und London und weiteren europäischen Städten am linksgrünen Rand versucht wird, ist eine massive Störung der Demokratie, um sie schliesslich vollends zu zerstören. Der linke Feldzug marschiert unter dem Banner «Antifa» – also «Antifaschismus». Es ist der Tarnbegriff, dem auch die etablierte Politik gern huldigt, wenn das politische Tun ihrer eigenen Jugend schöngeredet werden soll.
Dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone wird folgender Satz zugeschrieben: «Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Nein, er wird sagen, ich bin der Antifaschismus.»