Die Kolumne
Resort für Reichste

Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 01:36 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Im Blick war die Schlagzeile zu lesen: «Russische Oligarchen hamstern Schweizer Gold-Visa». Was soll man da sagen? Man könnte stolz sein: Toll – diese Schweiz! Und auch: Begehrt – unser Land!

Aber stellt sich nicht sogleich die Frage: Wollen wir die überhaupt, diese russischen Oligarchen?

Ab 200'000 Franken Steueraufkommen pro Jahr, so der Blick, können Ausländer das Bleiberecht in der Schweiz erwerben. Man könnte auch sagen: Sie kaufen sich die Schweiz. «Goldenes Visum» nennt sich die helvetische Form des Passhandels.

Auch da stellt sich sogleich eine Frage: Ist die Schweiz käuflich?

In der «Handelszeitung» fand sich die Antwort darauf jüngst in einem Text unter der Schlagzeile «Millionäre ziehen massenhaft in die Schweiz». Dort hiess es: «Immer mehr reiche Menschen entdecken die Schweiz für sich. Dieses Jahr wandern netto doppelt so viele Millionäre ein wie 2024.»

Die Eidgenossenschaft – der globale Erfolg!

Doch was ist die Eidgenossenschaft? Was war sie bisher? Ein Land des produktiven Könnens, in Industrie und Dienstleistung, ein Land, in dem vor allem Kreativität als Rechtfertigung für Reichtum galt – eine verschworene Gemeinschaft fleissiger Eidgenossen, hervorgegangen aus einer Geschichte von Freisinn und sozialer Demokratie.

Schweizer Bürger fühlen sich in der Schweiz zu Hause, weil sie sich geborgen wissen in einer Ordnung, die sie mitgestalten, wirtschaftlich und politisch und kulturell.

Neuerdings kaufen amerikanische Investoren Skigebiete – unsere Alpen! Und nordafrikanische Investoren schnappen sich Seeufer – unsere Urlandschaften! An besonders erhabenen Plätzen dieses kleinen Landes wachsen Luxushotels und Luxusappartements – globale Goldoasen.

Die Schweiz wird gerade den Zeitläuften und Geldläuften genehm gemacht.

Haben die Schweizer etwas dazu zu sagen? Sie dürfen das Personal stellen, das den geschmeidigen Betrieb dieser Luxuszonen sicherstellt, denn mit ihrer Leistung schaffen und garantieren sie, was anderswo nicht mit allem Geld der Welt zu haben ist: zivilisierte Paradiese.

Die Berichte über solcherlei Investitions-Hotspots werden begleitet von Meldungen über deren missliche Begleiterscheinungen: unerschwingliche Mieten, unerschwingliche Winterferien, unerschwingliche Hotels, sogar unerschwingliche Sitzplätze im Freien: Vor dem Zürcher Globus am Bellevue, genannt «Goldküsten-Kantine», werden Normalverdiener mit einer Zehn-Franken-Gebühr vom Sitzen an der Sonne ferngehalten.

Wer’s hat, der kriegt’s – in der Schweiz.

Ist das noch die Schweiz?

Das Gefühl der Teilhabe an der Heimat ist das bindende Element der Schweizer Identität – das Geheimnis des Landes, das seine eigenen Reichen ohne Klassenkampf-Getöse duldet. Die benehmen sich in der Regel wie die weniger Reichen, im besten Fall wie ganz normal verdienende Mit-Schweizer: republikanisch unauffällig, weil die Republik ja allen gehört. Wer sich dieses schweizerische Gleichheitsprinzip nicht merken will, der bekommt es mit einer Volksinitiative zu tun.

Der Schweizer Kapitalismus ist gestalteter Kapitalismus, also dort, wo es nötig ist, eingehegt.

Oligarchen-Kapitalismus ist das Gegenteil davon. Ein Luxustempel ist kein Schweizer Ort, denn für Schweizer ist ein solcher Ort weder gedacht noch gemacht.

Mit dieser Entwicklung wächst eine Schweiz heran, die das verkauft, was viele Generationen zuvor gepflegt, ja überhaupt erst möglich gemacht haben. Das Land vergafft sich ins grosse Geld.

Und verwandelt sich in ein Resort für Reichste.

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