Die Kolumne
Deal

Publiziert: 01:10 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Soll man, muss man, darf man gendern? Es zu tun, ist ein Bekenntnis: zur linksgrünen Welt, zum Sprachraum der Parteifreund*innen, wie sich die Bekennenden geschlechtsneutral anzusprechen pflegen. Das Gendern umschreibt den Kosmos des neudeutschen Korrektheits-Kanons, dem zufolge jemand «als Frau gelesen» oder «als Mann gelesen» werden kann, ob er nun Mann ist oder Frau – am besten, man liest Ihnsie als Wedernoch.

Die blühende Sprachwüste, mit den Universitäten als Oasen, hat überdies einen Wortwirrwarr hervorgebracht, der sich beispielsweise in der Abkürzung LGBTQIA+ niederschlägt, die wiederum befremdliche Adjektive umfasst wie trans oder queer
oder questioning oder intersexuell oder asexuell oder pansexuell oder nicht-binär – für Begriffsstutzige hilfsweise noch das althergebrachte «lesbisch» und «schwul».

Wer die Wortwissenschaft der Gender-Lehrstühle ignoriert, schreibt und redet einfach Deutsch – und ist mit Sicherheit keine Männ*in.

Der Sprachkrieg, der seit Jahren in akademischen Texten, offiziellen Verlautbarungen und aktivistischen Schriften wütet, zu denen natürlich auch stramm angepasster Journalismus zählt, ist der Kulturkampf der westlichen Wohlstandsmoderne.

Denn Sprache ist nun mal Ur-Kultur.

Wirtschaftsmächtige vertrauten generationenlang darauf, dass allein materielle Verfügungsgewalt, also Besitz, die Macht unter Menschen und die Macht über Menschen garantiere. Von diesem materialistischen Geschichtsirrtum hat sich die einst orthodox marxistische Linke verabschiedet.

Statt Klassenkampf stand jahrelang der Kampf um die richtige Sprache, um den korrekten Gender-Glauben auf dem Plan – Kampf um den Gehorsam der Bürger*innen.

Doch seit kurzem, seit der Wiederwahl von Donald Trump ins Weisse Haus, fegt ein Wirbelsturm durch die Wörter- und Denkwelt – auch durch die der Woken. Er wütet in allem Tun und Lassen der westlichen Zivilisation – und besteht aus einem einzigen Wort:

Deal.

Der Deal ist alles! Alles ist Deal!

Der globale Deal ist ebenso ein Deal wie der zwischenstaatliche Deal wie der zwischenmenschliche Deal. Nichts heisst heute noch Übereinkunft oder Vertrag oder Abkommen – oder Eheschliessung. Keine Zeitung, kein Radio, kein Fernsehen, kein Onlineportal ohne Deal in Überschriften und Ansagen.

Trumps Leitreflex als Bekenntnis: Ich gehöre dazu – wir gehören dazu.

Europas Kommissionspräsidentin reist nach Schottland, allwo sie der führende Dealer der Welt zwischen zwei Golfpartien huldvoll empfängt – um einen Deal zu machen. Zwei Schweizer Minister verfügen sich nach Washington – um keinen Deal zu machen.

Alle Welt hofft auf einen Deal – mit ihrem Zuchtmeister. Das auf eine Silbe verkürzte Denken ist auch schon zu Hause zu Hause: in der guten Stube, wo man neuerdings Deals mit den Kindern macht, im Ehebett mit der Gattin, am Arbeitsplatz mit dem Vorgesetzten, auf dem Schulhof mit dem Klassenkameraden.

Trumps Wort ist Trumps Triumph.

Er wird ihm zu Füssen gelegt, sogar von der Gendergemeinde, die eben noch dabei war, die Sprache des Dudens zum herrschaftlichen Kauderwelsch zu verkünsteln, wohlwissend, dass Sprachmacht Macht bedeutet – über jene, die sich wortgeschwind neuen Sprach-Direktiven fügen. Es ist noch gar nicht so lange her, da wussten Millionen Sprachgefangene, was sie zu sein hatten:

Volksgenosse der eine, Genosse der andere.

Dabei hatten diese Begriffe der jüngeren Geschichte immerhin noch Inhalte, wenngleich verbrecherische, mörderische – inzwischen verdammte. Was hat Trumps Wort zum Inhalt? Was ist ein Deal? Ein Handel. Unter Händlern. Unter Dealern.

Trumps Trumpf bedeutet nichts. Das Nichts ist die neue Wort-Währung.

Wir handeln damit, wir verlangen danach – wir huldigen dem Nichts.

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