Worum geht es bei der Kopftuch-Kontroverse von Eschenbach im Kanton St. Gallen? Um einen Akt der Intoleranz, wie er in unserer freien Gesellschaft selbstverständlich intolerabel wäre? Auf den ersten Blick sieht es jedenfalls so aus: Bürger verhinderten die Einstellung einer muslimischen Lehrerin, die im Unterricht partout nicht auf das Tragen ihres Kopftuchs verzichten wollte.
Was aber ist das Kopftuch? Ein religiöses Symbol, wie sogar Juristen immer wieder argumentieren, es also mit dem Kreuz der Christen gleichsetzen?
Nein, das Kopftuch ist kein Symbol. Es ist ein zentrales Instrument von Unterdrückung und Ungleichheit der Frau im Islam: Die Frau hat sich vor Männerblicken zu verhüllen. In der strengen Variante bedeutet dies Verhüllung des ganzen Körpers, in der noch strengeren muss in der Öffentlichkeit auch das Gesicht verborgen bleiben. Die lockere Form schreibt das Verstecken der Haare vor; auch einzelne sichtbare Strähnen können gegen das religiöse Gebot verstossen.
Im Islam gilt die Unsichtbarkeit alles Weiblichen – oder zumindest aller weiblichen Attribute – als Dogma: Die Frau soll nicht in ihrer Fraulichkeit erkennbar sein. Es sei denn, im Hause des Mannes, ihres Herrn.
Das Kopftuch ist deshalb nicht bloss ein Symbol, sondern ganz konkret und praktisch die Unterdrückung selbst: Es beschränkt das Gesichtsfeld, es behindert die Bewegungsfreiheit, es beschädigt das soziale Leben der Frau, es engt sogar ihre Selbstwahrnehmung als weibliches Wesen ein.
Schritt für Schritt und Tag für Tag bedeutet das Kopftuch nicht weniger als praktizierte Unterdrückung – seine Steigerung in Form der Burka sogar die Abschaffung der Möglichkeit, überhaupt noch Frau zu sein, ihre Auslöschung als Mensch.
Das Verbot der Frau.
Haben die Bürger von Eschenbach einer einzelnen muslimischen Lehrerin das Tragen des Kopftuchs verboten? Sie haben, mit schweizerischem Freiheitsinstinkt, Nein gesagt zur Unterdrückung der Lehrerin – und zur Unfreiheit überhaupt.
Sie haben ein Verbot verboten!
Für den feministischen Zweig der Gesellschaft, der das Gendern zur Leitkultur erheben möchte, müsste der Vorfall von Eschenbach eigentlich Anlass zum Handeln sein: Wer sogar die Sprache verweiblichen will, wer «Bürger*innen» schreibt und spricht, wer LGBTQIA+ feiert, also lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer, intersexuell, asexuell, questioning, pansexuell, nicht-binär und mehr, der kann nur das Verbot des Kopftuchs fordern.
«Westliche» Frauendiskriminierung provoziert in der Gender-Community verlässlich Widerstand und Protestmärsche. Das Ereignis von Eschenbach jedoch blieb ohne jedes Echo – kein linksgrünes Lamento, nirgends! Ein Interview zu diesem Thema im «Tages-Anzeiger» brachte nicht einmal die Diskriminierung der Frau als religiöses Dogma zur Sprache.
Und wenn das Kopftuch freiwillig getragen wird, wie Muslimas häufig erklären? Unterwerfung bedarf nicht der Übermacht, weibliche Anpassung keiner männlichen Gewalt. In Unterdrückungsgesellschaften gibt es auch die Lust an der Selbstunterwerfung, üblicherweise begründet mit dem Bestreben, streng religiös zu erscheinen. Diesen Mechanismus haben sich repressive Religionen – einst auch das Christentum – schon immer zunutze gemacht: der Verzicht auf Freiheit als Beweis eines besonders innigen Glaubens – wer mag solch eine Haltung schon bezweifeln oder gar bekämpfen?
Die Opfer sind schliesslich sogar stolz auf ihre Selbsterniedrigung!
Der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, einst Mitglied der extremistischen Muslimbruderschaft, heute ein führender Islamkritiker deutscher Sprache, beschreibt in seinem Buch «Der Preis der Freiheit» auf anrührende Weise den Weg seiner Mutter vom freien jungen Mädchen zur Ehefrau und praktizierenden Muslima:
«Meine Mutter fügte sich nicht nur in das patriarchalische religiöse System ein, sie wurde selbst zu einem Instrument dieses Systems. Sie war gezwungen, sich zu unterwerfen, aber ein Teil dieser Unterwerfung war freiwillig. Sie deutete diese Unterwerfung so um, dass sie nicht als Niederlage, sondern als Aufstieg in die Liga der religiösen und moralischen Menschen erschien. Sie machte aus der Not eine Tugend und betrachtete ihre Konversion im Nachhinein als eine Art Erleuchtung. Plötzlich war sie stolz auf ihren Schleier. Einige Jahre später war sie sogar überzeugt, den Schleier freiwillig angelegt zu haben …»
Aus diesen wenigen Zeilen leuchtet die voraufklärerische Ideologie des Islam herüber in unsere säkulare und laizistische und offene Gesellschaft: Jahrhunderte trennen die Kultur der Demokratie von der zur Religion überhöhten islamischen Männerherrschaft.
In Eschenbach haben die Bürger der Freiheit eine Gasse geschlagen – die Lehrerin muss sie nur noch beschreiten.