Ich bin 34 Jahre alt und seit 22 Jahren Vegetarierin. Nein, damit brüste ich mich nicht. Es ist einfach ein Fakt. Und meine Entscheidung. Wenn ich das sage, dann nicht, weil ich mich wichtig nehme oder mich hervortun will, sondern weil man mir ein Wurstbrot anbietet oder mir Gulasch schöpfen will.
In solchen Momenten höre ich immer öfter Folgendes: «Ah, ich esse auch megawenig Fleisch.» Oder: «Wegen mir würden wir gar nie Fleisch essen, aber mein Mann ist ein absoluter Fleischtiger.» Oder: «Ich esse selten Fleisch. Und wenn, dann nur gute Produkte, von denen ich weiss, woher sie kommen.»
Das strengt mich an. Weshalb? Erstens: Ich bin nicht die Fleisch- polizei. Mir muss man von keinem Motiv und von keinem Alibi erzählen, damit man sein (schlechtes) Gewissen beruhigen kann. Zweitens: Diese Aussagen sind grösstenteils Lügen. Lügen, die man den Leuten gar nicht gross vorwerfen kann, weil sie daran glauben. Sprich: Sie lügen sich selber an. Wenn sie ihr Fleisch und ihre Wurst einkaufen, mögen sie vielleicht auf Labels und Herkunft achten, hoffentlich kleine Metzger unterstützen und Billigfleisch verschmähen. Aber bei der Arbeit, im Restaurant und unterwegs vergessen sie ihren Vorsatz. Das Salamibrötchen im Zug, der Fleischkäse in der Kantine? Ignorieren sie. Und vergessen, dass sie überhaupt Fleisch hatten – weil es immer und überall verfügbar ist, nichts Besonderes mehr. Für niemanden in der Schweiz. Wer Fleisch isst, soll dazu stehen. Kann er das nicht, sollte er seinen Konsum hinterfragen.
Was wir ebenfalls hinterfragen sollten, ist das Berufsbild des Metzgers. Wer will heute noch Fleischfachmann werden? Zu wenige. Wer stellt sich den Beruf falsch vor? Jeder. Das aber führt auf Dauer zu einem Problem. Alle wollen Fleisch essen, doch niemand will es verarbeiten. Auch das passt nicht zusammen. Die Metzgerin Céline Schüpbach nervt sich im SonntagsBlick Magazin zu Recht über Leute, die diesen Job eklig finden: Sollen sie doch froh sein, wenn es Leute gibt, die töten, schlachten, ausbeinen und das Fleisch verkaufsfertig machen. Denn auch hierzulande sterben die kleinen Betriebe aus, und es gibt einen Trend hin zu grösseren Fabriken. Zu einer Produktion, in der mehr Leute mehr Fleisch verarbeiten.
Wenn in der Schweiz keiner mehr dieses Handwerk lernen will, laufen wir Gefahr, dass auch wir billige Arbeitskräfte zu armseligen Konditionen aus dem Ausland holen, um das zu erzeugen, was wir «eklig» finden – aber doch essen. Und wir können dann nicht mehr mit dem Finger auf Deutschland zeigen.