Wir spazierten die Isar entlang. Genau heute vor einer Woche. Das macht man so am Wochenende in München. Mit dem Schatz. Mit der Kollegin. Mit dem Hund. Weshalb ich Anfang Oktober in München war, können Sie sich vorstellen. Die frische Luft tat gut, mein Kopf wurde durchgelüftet. Wir quatschten über dies und jenes. Irgendwann fragte ich für eine gute Freundschaft vielleicht etwas zu smalltalkmässig: «Hat die Isar nun viel oder wenig Wasser?» – «Hmm», sagte die Freundin, «viel mal nicht.» Keine Ahnung, weshalb man bei Flüssen immer den Wasserstand kommentiert. Eventuell sitzt die Urangst einer Überschwemmung oder einer Austrocknung der Flussbette in unseren Genen. Als ich die zahlreichen Kiesinseln sah, die normalerweise unter Wasser sind, war klar: wenig Wasser!
Bald gelangten wir bei ihrer bevorstehenden Geburt an. Nein, sie gebar nicht im Flussbett, wörtlich kamen wir da an. Also nicht bei ihrer Geburt, bei der ihres Mädchens. Bald – selbstverständlich – sprachen wir von der Plazenta. Mir wurde schlecht. Erst dachte ich, das Thema nimmt meinen Magen vielleicht etwas mit. Dann meinte ich, die vielen Mass vom letzten Abend (spätestens jetzt ist klar, weshalb München) werden mich nun gleich niederstrecken. Aber dann kam dieser beissende Geruch, und ich sah, wie auch die Freundin sich die Hand vor Mund und Nase hielt. «Bähh», rief ich, «was ist denn das für ein ekliger Fisch-Scheiss?!» Es roch nach Fisch, nach Algen (gibt es im Fluss Algen?) und nach abgestandenem Blumenwasser (es gibt nix Schlimmeres als altes Blumenwasser!). Ich kommentierte wieder: «Von wegen Naherholung Münchens!» Wir gingen den Weg zurück nicht mehr am Wasser.
Zurück in der Schweiz, las ich Ende Woche in der «Süddeutschen Zeitung»: «Massensterben in der Isar». In der Isar seien am Sonntag Tausende Fische verendet, nachdem der Flusspegel innerhalb kürzester Zeit rapide gesunken und Kiesbänke trockengefallen seien. Insbesondere kleine Fische und Jungfische sassen in der Falle und erstickten. Kruzefix, wir rochen den Tod! Anscheinend hatten die Münchner Stadtwerke bei Reinigungsarbeiten zu schnell Wasser in den Werkkanal geleitet – so fehlte dem Fluss plötzlich reichlich Wasser. Diese Nachricht hab ich gleich mal der Freundin weitergeleitet. Die arbeitet für die Münchner Stadtwerke.