Fix zur Gesellschaft
Ludwig und sein
 Neuschwanstein

Unsere Autorin Alexandra Fitz hätte besser nie Schloss Neuschwanstein besucht. Von aussen und von weit weg ist es ja ein Märchen, aber wer hin fährt, erlebt eine Massenfertigung par excellence.
Publiziert: 25.02.2019 um 13:28 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:08 Uhr
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Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Haben Sie auch eine Sehenswürdigkeit, die Sie seit 
jeher besichtigen möchten? Die auf Ihrer – neumodisch – ­«bucket list» steht, zu der Sie es aber noch nie geschafft haben, weil da eben so viel draufsteht. Noch belastender: Sie lesen immer wieder die Schilder des besagten Monuments – und rauschen dennoch vorbei. Hat man wirklich so wenig Zeit oder ist es nicht wichtig genug? Um gleich mal die Pointe vorwegzunehmen: Ich fuhr endlich hin – und es war eine Enttäuschung. Es gilt nämlich: Es ist nie, nie, nie so, wie man es sich vorgestellt hat. Am besten fährt man weiterhin vorbei und malt sich aus, wie es wohl wäre.

Zu spät. Letzten Sonntag erblickte ich von weitem schon das Schloss Neuschwanstein. Das Märchenschloss in Bayern ist eines der ­bekanntesten der Welt. In meiner romantischen Vorstellung hatte es eine schillernde Geschichte mit 1000 Ballnächten und abgründigen Intrigen. Doch mit Romantik hat ein Besuch rein gar nichts zu tun. Die Tickets muss man im Voraus online reservieren. Mit Hunderten Asiaten steht man dann trotzdem im Schattenloch am Fusse des Schlosses, zwischen Frittiergeruch und Souvenirramsch. Um 10.10 Uhr sollten wir spätestens unsere Tickets abholen, erst um 11.40 Uhr durften wir ins Schloss. Wir laufen rund 30 Minuten mit Hunderten Besuchern eine Bergstrasse hoch. Die faulen ­sitzen auf einer Kutsche, gezogen von schweren, schwitzenden Rössern. Oben warten alle eingepfercht im Innenhof.

Die Führung – ohne kommt man nicht rein – dauert 20 Minuten. Das Schloss ist mehr als unspektakulär. Spektakulär ist die Geschichte des Schlossherrn, diese lese ich zu Hause nach: Ludwig II., König von Bayern, war bausüchtig und verschuldete sich dadurch prächtig. So wurde er 1886 entmündigt, ­einen Tag später fand man ihn im Starnberger See. Ersoffen. Ludwig II. lebte bloss 172 Tage im Schloss. Seine Verwandten öffneten das unfertige Schloss keine sechs Wochen nach seinem Ableben für Besucher. Heute ist es mit 1,5 Millionen ­Besuchern im Jahr 
die beliebteste Sehenswürdigkeit in Bayern.

Als wir endlich über 
die sonnigen Hügel des Allgäus davoncruisten, blickten wir noch einmal zurück. Da thronte Schloss Neuschwanstein. Nur von ­aussen und von weitem 
ein Märchen.

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