Fix zur Gesellschaft
Die Vergangenheit ist immer top!

Alexandra Fitz, Stellvertretende Leiterin des SonntagsBlick Magazins, fragt sich, warum im Nachhinein immer alles toll war. Erinnern wir uns lieber an schöne Sachen? Und über Tote spricht man einfach nicht schlecht, oder?
Publiziert: 17.03.2019 um 18:21 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:09 Uhr
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Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Er ist tot. Seit Jahren. Wie jeder Mensch hatte er gute Seiten, und schlechte. Familienoberhaupt. Ernährer. Chauvi. So wie es in den 50er-Jahren üblich war. Die Frau, heute Witwe, hatte es weiss Gott nicht immer einfach. Dennoch spricht sie heute vom verstorbenen Mann und Vater ihrer Kinder nur mit den besten Worten. Das hat er so gut gemacht, und jenes getan. Alles, was er versäumte, was er in den Augen der ganzen Familie schlecht bis miserabel machte, wird totgeschwiegen. Weil er tot ist?

Ist es moralisches Gesetz, dass wir über Leute, 
die von uns gegangen sind, nur in den besten Tönen sprechen? Oder mag sich die nächste Angehörige, beispielsweise also die Ehefrau, wirklich nur noch an das Positive in der Ehe erinnern? Wenn ja: Tut sie das unbewusst oder mit voller Absicht? Und dann schiebt sich die Frage an: Warum geht es uns mit der rein schönen Erinnerung besser?

Wir verhalten uns nicht bloss bei verstorbenen ­Menschen so. Auch die verflossene Liebe wird ­plötzlich total überhöht. Mit Abstand, also nach dem «Komm zurück!», nach der Wut, nach der Trauer, macht sich das Gefühl breit: He, die Beziehung war doch ganz schön. Nostalgisch schwelgen wir in alten Zeiten mit dem alten Partner. Und vom früheren Arbeit­geber und den Ex-Kollegen wird am neuen Ort geschwärmt, was das Zeug hält. Und die Stadt, in der man einst lebte? Egal, wie oft es regnete, wie kühl die Menschen waren, sie ist die tollste Bleibe überhaupt, ­keine andere kann ihr das Wasser reichen.

Im Nachhinein ist immer alles super. Vielleicht weil wir Angst haben vor der Zukunft, dass die nicht so gut wird. Vielleicht aber behält sich unser Hirn die schillernden Seiten unseres Lebens besser. Oder weil wir unsere Geschichte selbst schreiben und es nun mal für alle Beteiligten besser klingt, wenn wir mit allen, allem und vor allem uns selbst ­total im ­Reinen sind. Alles fein, so wie’s lief, war ja unsere ­Entscheidung. Unsere Entscheidung, so lange in dem Job zu verharren, so lange bei dem üblen Typen zu bleiben. Zum Glück beschönigen ja alle die ­eigene Vergangenheit. Muss wohl auch sein, sonst würden wir alle wie frustrierte Zombies rumlaufen.

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