Ostern ohne selbst gefärbte Eier ist für mich kein Ostern. Jeder hat gewisse Rituale, die über die Jahre zur Tradition wurden und die man auf keinen Fall missen möchte. Ich war nie wirklich der Basteltyp – auch wenn ich es gerne wäre –, aber wenn das Basteln mit etwas Essbarem kombiniert wird, finde ich das gut. Bei meiner Familie ist Essen ganz schön wichtig, da liegt es nahe, dass auch gerne gekocht wird.
Am Ostersonntag gibt es immer einen grossen Brunch. Ich bin kein Brunchtyp – aber an Ostern finde ich es schön. Selbst gemachter Zopf gehört genauso auf den Tisch wie selbst gemachter Thunfischaufstrich. Jeder findet etwas auf der reichlich gedeckten Tafel, an der sich die ganze Familie versammelt. Egal, wer wo studierte oder arbeitete, an Ostern kamen alle zusammen. Weihnachten ist dann ja immer etwas her.
Das Wichtigste an diesem Tag sind stets die gefärbten Ostereier. Auch wenn man sie nicht alle essen mag und man spätestens nach zweien genug hat. Sie liegen auf einem grossen Teller, vorsichtig gebettet auf frischem Gras, das wir vorher gesammelt haben. Ich bin nicht der Typ für künstliches Pappgras. Sie glänzen, wir haben sie mit Öl eingerieben.
Das Eierfärben ist immer meine Aufgabe. Und das schön Arrangieren auch. Ich bin der Typ fürs schön Arrangieren. Einmal an Ostern war das anders. Ich war am Samstag davor aus und stürzte ab. Ich bin der Typ fürs Abstürzen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich trotz oder gerade wegen meines Brummschädels ein furchtbar schlechtes Gewissen. Meine Mutter wartete mit den Eiern. Ich beeilte mich, nach Hause zu kommen. Es wäre genug Zeit gewesen, um die Eier noch rechtzeitig für den Brunch fertig zu kriegen. Das sah meine Mutter aber anders. Als ich in die Küche kam, traf mich der Schlag: Da glänzten Dutzende Eier in allen Farben und lagen bereits auf dem grünsten Gras! Ich war sauer, meine Mutter enttäuscht. Enttäuschte Mütter, das ist das Schlimmste überhaupt. Schimpfen, bestrafen, alles. Aber bitte nicht enttäuscht sein!
Wir haben uns schnell wieder vertragen. Aber ich machte ihr klar, dass sie das nie wieder tun soll. Das mit dem nie wieder Abstürzen konnte ich nicht versprechen.