Feministischer Streik
Warum ich zum ersten Mal demonstrieren gehe

Am 14. Juni demonstrieren Tausende von Menschen in verschiedenen Städten der Schweiz. Unsere Autorin sagt, warum sie beim feministischen Streik mitmacht. Sie findet: Es gibt viele Gründe, auf die Strasse zu gehen. Und auch du solltest dabei sein!
Publiziert: 13.06.2025 um 15:03 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/7
Am 14. Juni 2025 gehen in der ganzen Schweiz Menschen auf die Strasse, um am feministischen Streik teilzunehmen.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Frauen fordern echte Gleichstellung und Respekt für ihre Rechte
  • Persönliche Erfahrung zeigt alltägliche Belästigung und Unsicherheit für Frauen
  • Über 500'000 Frauen nahmen am ersten landesweiten Frauenstreik 1991 teil
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Ramona_Rosati_Praktikant Ressort Gesellschaft _Blick Ringier_3-Bearbeitet-Bearbeitet.jpg
Ramona RosatiRedaktorin Gesellschaft

Ich bin mit meinen 23 Jahren eine junge Frau in einem reichen, demokratischen Land – und trotzdem fühle ich mich oft nicht sicher oder gleichgestellt. Frauen verdienen in der Schweiz im Schnitt (noch) rund 12 Prozent weniger als Männer. Wir leisten 60 Prozent der unbezahlten Care-Arbeit. Und alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von einem Mann getötet, weil sie eine Frau ist. Das sind keine Randphänomene, das ist Alltag.

Wie auch dieses persönliche Beispiel: Letztes Wochenende sass ich mit einem Freund in einem Café. Es war eine ausgelassene Stimmung, bis ein angetrunkener Mann mich ansprach. Er war aufdringlich, kam mehrmals zurück und nannte mich Fräulein. Mir war unwohl, ich wies ihn in die Schranken. Ich blieb sitzen, weil ich meinen Platz nicht einfach räumen wollte. Und doch fühlte ich mich falsch, laut gewesen zu sein. Schuldig fast. Später hörte ich ihn und seine Freunde laut über Körper von Frauen reden.

Es schnürte mir den Hals zu. Wenn ich an die Situation zurückdenke, steigen mir Tränen in die Augen. Denn ich weiss: Was mir passiert ist, ist harmlos im Vergleich zu dem, was viele Frauen erleben. Aber genau darum ist es so erschütternd. Weil es sich an ganz normalen Orten abspielt. Weil es jederzeit passieren kann.

Und deshalb ist der feministische Streik wichtig. Frauen streiken in der Schweiz schon länger, als ich auf der Welt bin. Beim ersten landesweiten Frauenstreik 1991 gingen über 500'000 Frauen auf die Strasse. Sie hatten es satt, dass der gesetzlichen Gleichstellung keine reale Gleichstellung folgte. Der Streik 1991 hat Druck gemacht – auf die Politik, auf die Gesellschaft. Und er hat tatsächlich etwas bewegt.

Frauenrechte, Schutz vor Gewalt und wirtschaftliche Unabhängigkeit wurden nicht geschenkt. Sie wurden erkämpft. Demonstrieren ist ein Zeichen der Solidarität und stärkt unser Gemeinschaftsgefühl und unsere Kraft.

Warum ich dieses Jahr zum ersten Mal demonstriere? In den letzten Jahren war der 14. Juni nie ein fester Termin in meinem Kalender. Ich war mitten im Studium oder stand unterrichtend vor einer Primarschulklasse. Ja, ich bin enttäuscht, dass ich mir nicht mal eine Stunde Zeit genommen habe. Aber ich will sanft mit mir sein – und aufhören, mich kleiner zu machen, als ich bin. Vor allem in einer Gesellschaft, die genau das ständig tut. Dieses Jahr bin ich da, weil ich nicht mehr wegschauen kann. Und rufe umso lauter: «Whose streets? Our streets! Whose bodies? Our bodies!» Denn wir nehmen uns den Raum, der uns zusteht.

Wir sehen uns am 14. Juni auf der Strasse.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?