Editorial zur Abstimmung vom 28. September
Ein unüberwindbarer Graben teilt die Schweiz

Für den Hauseigentümerverband wird die Abschaffung der besonderen Steuerpflicht für Hauseigentümer zum Testfall. Scheitert die SVP-nahe politische Kampfmaschine am Immo-Graben?
Publiziert: 10:25 Uhr
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Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Schweizer Selbstbetrachtungen kommen nicht ohne Gräben aus. Auf der Karte der Politologen ist das Land zerfurcht von Konfliktlinien und Sollbruchstellen: Mal trennt uns der Röstigraben, mal der Stadt-Land-, mal der Geschlechtergraben und mal der eine oder andere zwischen den Generationen. Dumm nur, dass sich die jeweils diagnostizierte Kluft nach Abstimmungen und Wahlen nicht immer finden lässt. Die Willensnation hat tausend Gesichter.

Nächsten Sonntag geht es wieder um einen solchen gesellschaftlichen Spalt, dieses Mal vielleicht um den tiefsten und nachhaltigsten: jenen zwischen Mieterinnen und Mietern auf der einen und Besitzerinnen und Besitzern von Wohneigentum auf der anderen Seite. Die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts markiert diesen Immo-Graben. Die Schweiz gilt als «Mieterland» – zu einem guten Teil aber besteht sie aus Bürgerinnen und Bürgern, die ein Eigenheim haben, und solchen, die davon träumen. Das Streben nach Selbstbestimmung liegt in der helvetischen DNA.

Die Reform kommt dem in dieser Hinsicht glücklicheren Teil der Bevölkerung zugute. Wer selbst nicht Hauseigentümer ist, hat vielleicht Eltern im Rentenalter, die in einem Reihenhäuschen mit längst abbezahlter Hypothek leben. Das Argument, dass hier ein «fiktives Einkommen» besteuert wird, tönt jedenfalls überzeugend.

Allerdings bedeutet die Entlastung für den Staat Steuerausfälle – und die Begünstigung einer Bevölkerungsgruppe. Mindereinnahmen und Mehrausgaben sind buchhalterische Geschwister. Die Reform ist demnach so etwas wie die 13. AHV-Rente der Bürgerlichen. Also ein Testfall für den Hauseigentümerverband (HEV). 

Die gut geölte politische Lobbyorganisation weibelt im Bundeshaus erfolgreich für ihre Ziele, weist jedoch an der Urne eine dürftige Bilanz auf. Zudem lähmen interne politische Spannungen im bürgerlichen Lager den Betrieb. 2023 trat der ehemalige Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser aus dem HEV aus, weil dieser «von der SVP unterwandert» sei. Der PR-Schaden war angerichtet.

Die Befürworter starteten fulminant in den Abstimmungskampf – doch droht laut Umfragen ein Trend zum Nein. Eine Niederlage am kommenden Sonntag wäre für HEV und SVP ein Fiasko. Ein Scheitern am Immo-Graben.

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