Editorial zum Zoll-Deal mit den USA
Karin Keller-Sutter: Eine Ehrenrettung

Wirtschaftsminister Guy Parmelin wird gefeiert, während die Bundespräsidentin als grosse Verliererin dasteht. Das wird ihr nicht gerecht.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Präsidialjahr als Fiebertraum: Karin Keller-Sutter.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Vor lauter Verzückung kam die SVP zu früh. Die Partei gratulierte ihrem Bundesrat Guy Parmelin am Freitag per Communiqué zwei Stunden vor der vereinbarten offiziellen Bekanntgabe des Zoll-Deals mit den USA.

Für den Wirtschaftsminister scheint seitdem die Sonne. Er wird als Magistrat in die Annalen eingehen, dem im Zollkonflikt mit Washington die Einigung auf 15 Prozent gelang.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bleibt als tragische Figur zurück. Nach ihrem Telefongespräch mit Donald Trump am 31. Juli schockte der US-Präsident die Schweiz mit 39-Prozent-Zöllen. Es mutet fast wie ein Drama von Shakespeare an: Die politische Überfliegerin mit akzentfreiem Englisch verkachelt es, während der einst belächelte Stoiker trotz begrenzter Englischkenntnisse zum Retter heranwächst. Selten war die Brutalität des politischen Geschäfts deutlicher wahrzunehmen.

Bloss – was ist «KKS» eigentlich vorzuwerfen? Kurz nach Trumps Ankündigung eines Zollkriegs gegen die ganze Welt war die Finanzministerin im Frühjahr mit Parmelin in die Vereinigten Staaten gejettet, um bessere Bedingungen für die Schweiz auszuhandeln. Im Anschluss wollte sie mit Trump persönlich reden und griff zum Hörer.

Die Tamedia-Zeitungen fassten den verhängnisvollen Austausch so zusammen: «Keller-Sutter hatte es gewagt, den US-Präsidenten über die ökonomischen Vorzüge des Freihandels aufzuklären (was ziemlich mutig ist).» Ihr Vergehen bestand also darin, dass sie mutig war, dass sie etwas gewagt hat.

Das sind Eigenschaften dieser Frau, mit der weder Freund noch Feind richtig warm zu werden scheinen: Die Freisinnige stellt sich in den Gegenwind. Sie nimmt es mit der Grossbank UBS auf. 2021 spielte sie im Bundesrat – gegen einen gewichtigen Flügel ihrer eigenen Partei – die Schlüsselrolle im Kampf gegen das erste Rahmenabkommen. Sie war es, die energisch davor warnte, die Unionsbürgerrichtlinie mitsamt Sozialleistungen für EU-Bürger zu akzeptieren – und half damit der SVP, in deren Reihen jetzt besonders heftig gegen die Bundespräsidentin ausgeteilt wird. Ihr Präsidialjahr wird zum Fiebertraum.

Vielleicht aber wird sie dereinst als Politikerin in Erinnerung bleiben, die gescheitert ist, weil sie gegenüber dem Herrn im Weissen Haus Mut bewiesen hat.

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