Editorial zum Krimi um die Bankenregulierung
Fremdeln mit der UBS

Die Schweiz geht in eine neue Ära: Ausgerechnet eine FDP-Finanzministerin wird zur Hauptgegnerin der Grossbank. Dabei erweist sich Karin Keller-Sutter als Meisterin der politischen Geschmeidigkeit. Und geht doch ein Risiko ein.
Publiziert: 06:29 Uhr
1/4
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
Bildschirmfoto 2024-04-02 um 08.40.24.png
Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Am 6. Juni ist der Tag der Wahrheit. Dann wird das Finanzministerium die Too-big-to-fail-Regulierung vorlegen – eine «Lex UBS», die nicht zu unterschätzen ist: Sie wird weltweit Signalwirkung entfalten und das Verhältnis zwischen der Schweiz und ihrer letzten Grossbank auf Jahre hinaus prägen.

Das Lobbying der UBS, die Ängste vor einem Finanzriesen, der bei allzu hohen Kapitalanforderungen zum Übernahmekandidaten werden könnte, ein mehr als sprunghafter US-Präsident, dazu der zunehmend nationalistische Standortwettbewerb und eine Schweizer Pharmabranche, die ihre Fühler nach Amerika ausstreckt: Das alles zusammen ergibt einen starken Cocktail, den nur abgebrühte Politiker verkraften.

Das Dossier liegt in den Händen der Abgebrühtesten. Kein anderes Bundesratsmitglied hat ein besseres Gespür für politische Seismik als Karin Keller-Sutter. Rasch hatte die Bundespräsidentin nach dem Ende der Credit Suisse eine entscheidende Veränderung der Gemengelage erkannt: Die Nation beginnt, mit ihrer letzten Grossbank zu fremdeln.

«KKS» reagierte instinktsicher. Sie sorgte dafür, dass der brisanteste Teil des Vorhabens, die Kapitalvorgaben, auf Gesetzesebene behandelt wird – wodurch das Geschäft vor National- und Ständerat kommt. Das Kalkül der Finanzministerin: So kann sie maximal strenge Regeln formulieren und anders als ihr glückloser Vorgänger Ueli Maurer, der im PUK-Bericht sein Fett wegbekam, das Etikett der Bankennähe vermeiden. Sollte der Druck aus der Wirtschaft zunehmen, die Vorschriften wieder zu entschärfen, wird das Parlament diese Operation vornehmen müssen, nicht sie. 

Dass eine freisinnige Bundespräsidentin zur Hauptgegnerin der Zürcher Bahnhofstrasse wird, markiert ein neues Kapitel in der Geschichte der Schweiz. Vor zehn Jahren wäre dies ebenso unvorstellbar gewesen wie ein SVP-Ständerat, der einen Lohndeckel für Bankmanager fordert. Die Argumente von CEO Sergio Ermotti, von Präsident Colm Kelleher und anderen Wirtschaftsvertretern scheinen in der Öffentlichkeit zu verpuffen.

Ob die Härte gegenüber der Bank klug ist, wird sich nicht schon am 6. Juni erweisen, sondern später. Die St. Gallerin geht mit ihrem Manöver eine Wette ein – sollte die Übung dereinst wegen zu strenger Regulierung schiefgehen, wird ihr Name damit für immer in Verbindung stehen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?