Editorial zu Donald Trump und der Waffenruhe in Gaza
Der Araber im Weissen Haus

Sein unberechenbares Temperament, sein autoritäres Denken und sein fragwürdiges Demokratieverständnis sind untrügliche Zeichen: Der US-Präsident verfügt über eine orientalische Mentalität. Was auch seinen Erfolg im Nahen Osten erklären könnte.
Publiziert: 05:00 Uhr
|
Aktualisiert: 13:29 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/2
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
Bildschirmfoto 2024-04-02 um 08.40.24.png
Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Erlebt der Orient gerade eine Morgenröte? Oder ist es nur ein Wetterleuchten, ein kurzer Blitz der Hoffnung? Seit Freitagmittag schweigen im Gazastreifen die Waffen. Es ist ein wichtiger, vielleicht der entscheidende Durchbruch in dieser blutigen Tragödie. Bekanntlich haben Erfolge viele Väter, zweifellos aber ist Donald Trump einer der wichtigsten.

Es war wohl sein sonst wenig zielführendes, bisweilen abstossendes Verhalten, das in diesem Fall zur Einigung zwischen der Netanyahu-Regierung und der Terror-Organisation Hamas führte. Brachiale Rhetorik, apokalyptische Drohungen, überbordendes Selbstbewusstsein: Der US-Präsident spricht offenbar die politische Sprache der Heisssporne im Nahen Osten. Den Islamisten droht Trump schon mal mit der Hölle auf Erden und schreckt auch nicht davor zurück, seinen engsten Verbündeten dort bei Bedarf zu demütigen. Die Fotos, auf denen sich Israels Premier Netanyahu unter dem strengen Blick des Präsidenten telefonisch für den Raketenangriff in Katar entschuldigen muss, sprechen Bände.

Mit seinem hellen Teint, seiner Herkunft aus der New Yorker Upperclass und seinen deutschen Ahnen müsste Trump im Grunde den westlichsten aller Westler abgeben. Bedenkt man aber sein unberechenbares Temperament, seinen Autoritarismus und sein fragwürdiges Demokratieverständnis, kann man sich den US-Präsidenten mühelos in Sandalen und Kaftan oder in der mit Orden übersäten Fantasieuniform eines zornigen arabischen Potentaten vorstellen.

Trumps machtpolitischer Vulgärdarwinismus und die für hiesige Politiker ungewohnte Kampfrhetorik dürften paradoxerweise dazu beigetragen haben, dass sich die Hamas zur Freigabe der israelischen Geiseln bewegen liess.

Welche Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Trump, der seinen Vorgänger Barack Obama jahrelang als Muslim zu verunglimpfen suchte, von seiner Mentalität her der orientalischste aller US-Präsidenten ist.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen