Editorial zu Ausbildnern, die über ihre Stifte motzen
Diese Chefs sollen noch einmal in die Lehre!

Die Schweizer Lehrlingsausbildner sind unzufrieden mit ihren Schützlingen. Sie klagen: Das Handy-Zeitalter habe die Jugendlichen zu interesselosen Menschen gemacht. Statt zu motzen sollten diese Ausbildner ihre Berufe attraktiver machen.
Publiziert: 06.07.2019 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2019 um 09:34 Uhr
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Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.

Das Wort «Beruf» stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet ursprünglich – unter anderem – «Geschrei». Ein wüstes Geschrei ist es auch, was die Schweizer Lehrlingsausbildner da veranstalten. In einer Umfrage ziehen sie gegen die Lehrlinge vom Leder. Zum Beispiel so: «Das Handy-Zeitalter hat die Jugendlichen zu interesselosen Menschen gemacht.»

Das ist ein harter Vorwurf – der auf die betreffenden Ausbildner und auf die Lehrbetriebe zurückfällt.

Martin Luther war der Erste, der das Wort «Beruf» im Zusammenhang mit Arbeit verwendet hat. Das ist 500 Jahre her. Seitdem hat sich die Arbeitswelt – weiss Gott! – fortlaufend verändert. Reibungslos ist das nie vonstattengegangen. So konstatiert das «Schweizer Lexikon» von anno 1948 «eine Krise des Berufs». Schuld daran seien Industria­lisierung und Kapitalismus, heisst es in dem alten Wälzer. «Die grössten Probleme für Gegenwart und Zukunft liegen in der Wiederherstellung eines inneren Sinns in der abhängigen Berufsarbeit.»

Aktuell ist es die Digitalisierung, welche die Berufslandschaft umpflügt und eine Sinnkrise programmiert. Die britischen Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne behaupten: Über kurz oder lang wird die Hälfte aller heutigen Berufe durch Computer ersetzt.

Natürlich kann man auf diese Herausforderungen reagieren wie jene Lehrlingsausbildner, die jetzt über die Jugendlichen im Handy-Zeitalter motzen. Mit ihrer Wortwahl verraten sie ja gleich selbst, wo der Hund begraben liegt: Sie schlagen die Jugendlichen, meinen aber die Digitalisierung.

Man kann sich der Herausforderung jedoch auch stellen und versuchen, ein Metier für die Smartphone-Jugend spannend zu gestalten.

Der Verband der Elektrobranche erfindet derzeit einen neuen Beruf: den Gebäudeinformatiker. Die Smartphone-Jugend soll das Smarthome bauen. Statt lediglich Leitungen zu verlegen sowie Steckdosen zu montieren, soll der
Elektroinstallateur – Pardon: der Gebäudeinformatiker – künftig die unterschiedlichsten Apparaturen in einem Haushalt miteinander vernetzen. Das bietet ein attraktives Betätigungsfeld für Technikinteressierte. Ganz nebenbei wird dadurch das Leben der Hausbewohner bequemer. Und im Smarthome kann sogar Energie gespart werden.

Gottlob und selbstverständlich lassen sich nicht alle Tätig­keiten digitalisieren. In der Pflege etwa ist der mensch­liche Kontakt durch kein noch so schlaues Computerprogramm zu ersetzen. Eine solche Arbeit darf nie an ­Maschinen delegiert werden.

Über die Jugendlichen zu schimpfen, hilft aber auch bei dieser Ausgangslage nicht weiter. Das Problem ist hier ohnehin ein anderes. Bei vielen Vorgesetzten herrscht nach wie vor die Meinung vor, dass ein Auszubildender ist in erster Linie eine billige Arbeitskraft zu sein hat.

Diese Haltung ist nun aber wirklich von gestern. Wer eine volle Arbeitskraft will, soll diese anständig bezahlen!

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