Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Es braucht die Schweiz – leider!

In der Iran-Krise lohnt sich ein Blick in die jüngere Geschichte des Landes. Dann wird rasch klar, warum die Rolle der Schweiz als Mittler so wichtig ist.
Publiziert: 19.01.2020 um 08:39 Uhr
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Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Krisenzeiten sind gute Zeiten für Historiker. Sie liefern der Öffentlichkeit Erklärungsmuster aus der Vergangenheit für die Gegenwart.

Der deutsche Konflikthistoriker Herfried Münkler etwa vergleicht im «Spiegel» die Lage im Nahen und Mittleren Osten mit dem Dreissigjährigen Krieg. Niall Ferguson wiederum, der Star unter den liberalen Geschichtsschreibern, hat in der «Sunday Times» so früh wie brillant erklärt, warum die Tötung des iranischen Generals Soleimani unter keinen Umständen mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand verglichen werden darf. Dieses Attentat löste 1914 bekanntlich jene Kettenreaktion aus, an deren Ende der Erste Weltkrieg ausbrach.

In der Iran-Krise lohnt sich aber auch ein Blick in die jüngere Geschichte des Irans selbst. Zu viel ist dort schiefgelaufen. Zu rücksichtslos, zugleich ahnungslos sind die USA hier aufgetreten.

Alles begann 1953, als die CIA den iranischen Premier Mohammad Mossadegh wegputschte, weil dieser die Ölvorkommen seines Landes verstaatlichen wollte. Es geht weiter mit der Schreckensherrschaft des von den USA installierten Schahs Mohammad Reza Pahlavi. Der lebte in Saus und Braus, derweil die Menschen auf dem Land Hunger litten und die Geheimpolizei massenhaft Oppositionelle inhaftierte, folterte, hinrichtete.

Gross war die Überraschung in Washington, als der Schah Anfang 1979 gestürzt wurde. Ebenso gross war die Überforderung, als militante Studenten kurz darauf die US-Botschaft in Teheran stürmten und 60 Geiseln nahmen. «Die amerikanischen Bemühungen, die Lage zu entschärfen, reichten von Ungeschicktheiten bis hin zu absoluter Stümperei», schreibt dazu der britische Historiker Peter Frankopan in seinem 2015 publizierten Buch über die Geschichte der Länder an der alten Seidenstrasse. Unter anderem musste eine Aktion zur Befreiung der Geiseln überstürzt abgebrochen werden – dabei rammte ein Helikopter ein anderes US-Militärflugzeug. Acht Menschen verloren dabei ihr Leben.

Später unterstützten die Vereinigten Staaten den Irak im Krieg gegen den Iran. Das hinderte Roland Reagan freilich nicht daran, nach einiger Zeit auch dem Iran Waffen zu liefern. Der US-Präsident wollte damit eine neue Vertrauensbasis zu Teheran schaffen.

Und so weiter.

Es geht hier zu allerletzt darum, das iranische Unrechtsregime zu verteidigen. Es geht darum, vor kurzsichtigen Schlussfolgerungen abzuraten. Wenn Kommentatoren heute feststellen, dass die USA mit ihrer Nahostpolitik keine Strategie verfolgen, dann muss man hinzufügen: Das ist nichts Neues. Umgekehrt sollte man sich hüten, die Tötung von Qassem Soleimani zum Geniestreich und Gamechanger hochzujubeln.

Das ist alles kein Trost. Es zeigt aber, welch zentrale Rolle die Schweiz als Mittlerin in einem Konflikt spielen kann, in dem Nervosität und Inkompetenz die Akteure zu den fatalsten Fehlschüssen verleiten können.

Wie die Geschichte vermuten lässt, wird es diese guten Dienste noch lange brauchen.

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