Ein letztes Mal bestritt er eine Samstagabendshow: Thomas Gottschalk, der fast ein Vierteljahrhundert lang das Erfolgsformat «Wetten, dass..?» moderiert hat, sagte dem Fernsehpublikum gestern in einer RTL-Sendung Adieu. Zuvor hatte der 75-Jährige seine Krebserkrankung öffentlich gemacht.
Es ist bemerkenswert, wie sehr der langsame Abschied eines Talkmasters die Öffentlichkeit rührt. Wem – oder was – wird da eigentlich nachgetrauert?
Gottschalk, Zotendrescher, Akrobat auf dem rhetorischen Hochseil und Virtuose des kontrollierten Ausrutschers, plauderte sich in die Herzen ganzer Generationen. Und prägte damit eine Epoche. Der Blondgelockte wurde zum Gesicht eines Deutschlands, das als Fussball- und Exportweltmeister die Welt vor sich hertrieb. Gottschalk verkörperte die Leichtigkeit einer Nation, die international Gewicht hatte: selbstbewusst aneckend und höchst effizient.
Vielleicht liegt die aktuelle Betroffenheit auch daran, dass mit dem Rückzug des Entertainers zeitgleich die Überbleibsel der alten Bundesrepublik verblassen. Die Fernzüge sind notorisch verspätet, die einst glanzvolle Autoindustrie steckt in einer Krise – mit Auswirkungen bis in die Schweiz – und die Politik leidet seit den Merkel-Jahren an einer hausgemachten Blockade. Der von der neuen Bundesregierung erhoffte Schwung ist bislang ausgeblieben. Selten implodierten Wunschträume so erbarmungslos wie jene, die mit der Kanzlerschaft von Friedrich Merz verbunden waren. Der CDU-Regierungschef gewann zwar am Freitag im Bundestag die wichtige Abstimmung über sein Rentenpaket, wandelt aber unter dem Joch des Juniorpartners SPD. Die Partei Konrad Adenauers steht vor einer existenziellen Zerreissprobe. Und hinter der Brandmauer lauert die AfD.
Diese schwarz-rot-goldene Dämmerung spiegelt sich in Gottschalks Dernière wider.
In einer Videobotschaft nach der Bekanntmachung seiner Krebserkrankung riet er jüngst seinen Fans: «Macht euch bitte um mich keine Sorgen. Ihr wisst, dass ich die Dinge positiv angehe.» Es wäre gut für den ganzen Kontinent, wenn sich das Deutschland von heute an ihm ein Beispiel nähme.