Das Schweizer Steuersystem ist komplex. Seit Jahrzehnten versprechen Politiker und Experten, es einfacher zu machen. Die Steuererklärung auf einem Bierdeckel! Geändert hat sich bis heute nichts. Jetzt holt eine Gruppe um den ehemaligen Bundesratssprecher Oswald Sigg zum Befreiungsschlag aus und lanciert die Volksinitiative für eine Mikrosteuer auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Sie soll die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer überflüssig machen.
Der Steuersatz wäre tief – und die Steuerbasis gigantisch. Rund 100'000 Milliarden Franken beträgt das Volumen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der Schweiz. Den grössten Teil davon bilden Trans- aktionen der Finanzwirtschaft. Ihre Institute müssten bei einem Erfolg der Initiative mit bedeutend höheren Steuerausgaben rechnen. Die grosse Mehrheit der Steuerzahler hingegen würde besser wegkommen als heute. Das wäre eine merkliche Verschiebung der Gewichte.
Die Forderung nach einer solchen Verschiebung hat mit Banken- Bashing nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, einer zentralen Forderung des Liberalismus wieder Geltung zu verschaffen: Wer Risiken eingeht, soll sie auch tragen. 200 Jahre lang dominierte dieses Prinzip die kapitalistische Wirtschaft: Gescheiterte Unternehmen gingen bankrott und machten anderen Platz. Es ist ein kaltes Prinzip, aber es ist fair.
Der Finanzkapitalismus der letzten zwei Jahrzehnte hat dieses Prinzip klammheimlich beiseite geschoben. Schulden wurden zum Geschäft, unkontrollierbare Risiken zur Routine. Nur Verantwortung wollte niemand mehr übernehmen. Das Resultat waren die Bankenrettungen im Zuge der Finanzkrise von 2008. Aus liberaler Warte hätten die Staaten die gescheiterten Finanzinstitute nicht retten dürfen. So aber mussten die Steuerzahler für das Versagen der Banken geradestehen – und sie müssen es bei Bedarf bis zum heutigen Tag.
Weil sich daran auf absehbare Zeit nichts ändert, wäre eine Verschiebung der Steuerlast aus liberaler Sicht zumindest prüfenswert. Die Mikrosteuer trägt dem Prinzip der Verantwortlichkeit in jedem Fall Rechnung. Sie macht übrigens auch den Bierdeckel überflüssig, weil sie nicht Arbeit und Konsum erfasst, sondern elektronische Geldtransaktionen – konsequent und automatisch. Ein moderner Gedanke, der eine vertiefte Diskussion verdient.