Als sich zeigte, dass Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann bald aus dem Bundesrat ausscheiden würden, forderte BLICK im September: «Und jetzt zwei Frauen!» Alles deutet darauf hin, dass es genau so kommen wird. Eine Regierung aus vier Männern und drei Frauen ist im Jahr 2018 nun mal so modern wie selbstverständlich.
Doch sogar etwas wirklich Erstaunliches könnte am Wahltag des 5. Dezember geschehen: dass im Bundesrat – zum ersten Mal! – mehrheitlich Nichtakademiker sitzen. Der «Tages-Anzeiger» nannte es «Regieren, ohne zu studieren».
Ueli Maurer hat eine KV-, Guy Parmelin eine Landwirtschaftslehre absolviert. Simonetta Sommaruga ist ausgebildete Konzertpianistin, Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter diplomierte Konferenzdolmetscherin. Alain Berset hingegen ist Ökonom mit Doktortitel, Ignazio Cassis Humanmediziner, die CVP-Kandidatin Viola Amherd Notarin, ihre Konkurrentin Heidi Z’graggen Politologin.
BLICK hat nachgerechnet: Seit 1848 konnten 97 unserer 117 Bundesräte ein klassisches Uni- oder ETH-Studium vorweisen, oft sogar einen Doktortitel!
Repräsentativ war der Bundesrat damit nie. Schliesslich hat die Mehrheit der Bevölkerung weder studiert noch promoviert. Auch im Ausland gelten Nichtakademiker unter Top-Politikern als Exoten – so etwa Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sein Jus-Studium nach vier Jahren vergeblicher Mühen einfach hinschmiss.
Andere Politiker dagegen schmücken sich gern mit akademischen Ehren, die sie nie errungen haben. Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verlor das Amt, als sich herausstellte, dass er bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben hatte.
Klar ist: Wenn das gesamte berufliche Umfeld aus Akademikern besteht, starten Nichtakademiker mit einem Handicap – sofern sie es überhaupt in diese Kreise schaffen. Doch oft sorgt gerade ein schwieriger Start für den nötigen Antrieb, noch härter zu arbeiten, noch besser zu sein – und erst recht bis ganz an die Spitze vorzustossen.
Zum Beispiel Adolf Ogi, der seine Aufnahmeprüfung in die Sek verpatzt hatte, weshalb er nach der Primarschule Kandersteg (BE) lediglich die Handelsschule abschloss. So wie er müssen viele «Nicht-Studierte» zeit ihres Lebens gegen Vorurteile ankämpfen. Unverschämt kommentierte die NZZ vor seiner Wahl an die Spitze des Landes: «Ob er in das für einen Bundesrat nötige Format hineinwachsen wird, ist eine für manche Beobachter offene Frage.»
Für die meisten Beobachter aber, die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz, waren ausgerechnet jene Bundesräte am beliebtesten, die ihr Amt ohne akademische Weihen erobern mussten: neben Adolf Ogi auch der Heizungsmonteur Willi Ritschard, SP-Bundesrat von 1973 bis 1983, der – man glaubt es kaum – bisher einzige Handwerker im Bundesrat.
Beide waren wohl einfach näher am Leben der Menschen im Land als die hochdekorierten Doktores ...