BLICK auf die USA: US-Reporter Nicola Imfeld über die Taktik des Präsidenten im Impeachment-Streit
Trumps Spiel mit dem I-Wörtchen

Jede Woche schreibt BLICK-US-Reporter Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um die Taktik des Präsidenten im Impeachment-Streit der Demokraten.
Publiziert: 24.05.2019 um 18:53 Uhr
|
Aktualisiert: 25.05.2019 um 00:28 Uhr
1/18
Nicola Imfeld, US-Reporter für BLICK.
Nicola Imfeld, San Diego (USA)

Das I-Wörtchen macht in Washington seit November 2016 die Runde. Verbitterte Demokraten und Trump-Kritiker wollten seine Wahl ins Weisse Haus partout nicht wahrhaben. Sie hätten ihn am liebsten noch vor seiner Amtseinführung im Januar 2017 davongejagt. 

Nun werden die Impeachment-Rufe in Washington lauter und lauter. Längst sind es nicht mehr nur die schlechten Verlierer von 2016 und die Demokraten vom linken Parteiflügel, die Donald Trump (72) weghaben wollen. Auch gemässigtere Abgeordnete und sogar ein Republikaner machen sich seit dem Russland-Report von Robert Mueller für ein Amtsenthebungsverfahren stark.

Trump unternimmt in letzter Zeit aber auch alles dafür, dass das Thema an der Tagesordnung bleibt: Diese Woche hat das Weisse Haus in letzter Sekunde eine Anhörung von Don McGahn (50) blockiert. Die Demokraten sehen den Ex-Trump-Berater als Kronzeugen in der Russland-Affäre und wollten ihn zum Vorwurf der Justizbehinderung durch den Präsidenten befragen. 

Trump fakt einen Eklat

Dass Trump seinen Gefolgsleuten jegliche Kooperation mit der Opposition untersagt, ist die eine Geschichte dieser Woche. Die andere stammt vom Mittwoch und ist nicht minder brisant: Trump stürmte nach drei Minuten aus einem Meeting mit den führenden Demokraten Nancy Pelosi (79) und Chuck Schumer (68), in dem es um die Modernisierung der Infrastruktur gehen sollte.

Wenige Augenblicke später erklärte er an einem kurzfristig angesetzten Auftritt vor Reportern, dass er mit den Demokraten nicht mehr zusammenarbeiten werde, bis diese die Untersuchungen gegen ihn einstellten. Besonders empört zeigte sich Trump über eine Äusserung Pelosis kurz vor dem Treffen – sie hatte ihm vorgeworfen, eine «Vertuschung» der Hintergründe der Russland-Affäre zu betreiben. «Ich mache keine Vertuschungen», sagte er.

Was nach einer Kurzschlussreaktion des Präsidenten aussah, stellte sich später als taktisches Kalkül heraus. Trumps angeblicher Wutanfall im Weissen Haus war von langer Hand geplant. Zu gut organisiert war die anschliessende Pressekonferenz. Das Präsidialpult schmückte ein thematisch passendes Schild, das kaum innert weniger Minuten hätte produziert werden können. Und die Reporter erhielten eine ausführliche Erklärung der angeblich «überraschenden» Ereignisse.

Wahlkampf mit dem I-Wörtchen

Trump ist ein Meister der Inszenierung. Er will sich als Opfer darstellen. Als Opfer von aufbegehrenden Demokraten, die ihn mit «unnötigen Untersuchungen» mobben. Als Opfer eines «Coup-Versuchs» der Opposition. Als Opfer der «Elite». 

Da kommen ihm die Impeachment-Rufe gelegen. Der Präsident spricht gerne über das I-Wörtchen. Er erwähnt es bei jeder sich bietenden Gelegenheit – auf Twitter, bei Interviews oder an Wahlkampfveranstaltungen. Der Grund ist – natürlich – politischer Natur: Trump will mit dem Schlagwort Wahlkampf machen. Er weiss genau, dass dieses Thema bei seinen Wählern ebenso gut zieht wie die Einwanderungsfrage, die er bei den Halbzeitwahlen 2018 gekonnt ins Scheinwerferlicht rückte. 

Das Spiel mit dem I-Wörtchen ist für Trump unproblematisch. Den Bogen überspannen kann der Präsident kaum. Denn selbst wenn Nancy Pelosi genug hat und doch noch ein Amtsenthebungsverfahren einleiten sollte, würde dies spätestens im von den Republikanern kontrollierten Senat scheitern.

Ein gescheitertes Amtsenthebungsverfahren wäre politischer Selbstmord für die Demokraten hinsichtlich 2020. Trump kann also beruhigt weiterspielen. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?