Schweizer Bürokratie, wie sehr ich dich doch vermisse! Einfach, speditiv, verlässlich. Ein Beispiel: Wenn man eine neue Identitäskarte benötigt, schaut man (unangemeldet) bei der Einwohnerkontrolle vorbei. Formular ausfüllen, Foto beilegen, 70 Franken bezahlen, fertig. Zwei Wochen später hält man die nigelnagelneue ID in Händen.
Ganz anders in Kalifornien. Hier sucht man nicht das Gemeindebüro auf, sondern man geht zum DMV – die wohl meist verhasste Behörde des Landes. Niemand will hier hin, doch fast jeder muss. DMV steht für «Department of Motor Vehicles» – das entspricht dem Strassenverkehrsamt in der Schweiz. Als Ausländer kann man hier auch eine kalifornische Identitätskarte beantragen. Ein Ausweis, der bestätigt, dass man im Sonnenstaat wohnhaft ist.
Für mich war klar: Eine solche ID will ich unbedingt. Denn die Amis akzeptieren oft weder die Schweizer Identitätskarte noch unseren Führerausweis. Deshalb muss ich hier immer den Pass dabeihaben. Sei es beim Reisen, im Ausgang oder im Vergnügungspark. Mein Problem: Ich verliere ständig wichtige Dinge. Hätte ich den Pass nicht mehr, wäre ich quasi in San Diego gefangen, von allen unterhaltenden Aktivitäten ausgeschlossen.
Also hab ich nach meiner Ankunft im Juni 2018, damals noch voller Zuversicht, das DMV aufgesucht. Doch nichts da! Ohne Termin läuft hier gar nichts. Die genervte Frau am Schalter war auf mein Drängen hin immerhin doch noch so freundlich und hat mir den nächstmöglichen Termin reserviert: 17. November 2018 – fünf Monate später!
Ein, zwei Monate, vielleicht aber auch fünf
Nachdem ich in San Francisco im August meinen Pass tatsächlich kurzzeitig verloren hatte – eine heldenhafte Person hat diesen bei der nächsten Polizeistelle abgegeben – wars im November endlich soweit. Vollgepackt mit allen ausgefüllten Formularen setzte ich mich in den Wartesaal. Geschlagene zweieinhalb Stunden nach meinem eigentlichen Termin wurde ich aufgerufen: Weitere Dokumente ausfüllen, erklären, weshalb ich hier bin, Foto machen, bezahlen. In zwei bis drei Wochen sollte ich die ID im Briefkasten haben – pünktlich aufs neue Jahr. Immerhin.
Doch das Weihnachtsgeschenk blieb aus. Keine ID im Dezember. Auch nicht im Januar. Auf der Website die Info: Wenn man die Identitätskarte nicht innert 60 Tagen erhalte, solle man sich doch bitte wieder an die Behörde wenden. E-Mail-Adresse? Nicht vorhanden. Nur eine einzige Telefonnummer steht den Kalifornier zur Verfügung. Wenig überraschend teilt mir die Roboterstimme mit, dass meine Wartezeit irgendwas über zwei Stunden beträgt.
Knapp vier Stunden später komme ich durch. Es habe Probleme mit der Abklärung meiner Personalien gegeben, teilt man mir mit. Deshalb sei mein Antrag seit Anfang Februar bei der Rechtsabteilung. Wie lange es noch dauert? Etwa ein, zwei Monate, vielleicht aber auch fünf. Wenn ich im Juni noch nichts gehört habe, soll ich doch bitte wieder anrufen.
Es kam, wie es kommen musste: Ich hab etwas wichtiges verloren. Zwar nicht den Pass, aber mein Portemonnaie. Zweitschlimmstes Szenario.
Bankkarten, Krankenkassen-Ausweis etc. sind bereits ersetzt. Doch den Führerausweis krieg ich nicht mehr – denn ich bin nicht mehr in der Schweiz wohnhaft. Heisst: Ich muss wieder aufs DMV. Die bevorstehende Theorie- und Fahrprüfung bereitet mir dabei die geringsten Sorgen. Aber wie lange es wohl dauert, bis ich den kalifornischen Führerausweis im Briefkasten habe?
Im Sommer werden mich zwei Freunde besuchen. Wir reisen drei Wochen mit dem Camper durch Kalifornien. Notiz an sie: Ihr müsst fahren, ich halte mein kühles Bier. Cheers guys!