Der Entscheid von Bundesrat Albert Rösti, Tempo 30 national entgegenzusteuern und dies in einer Verordnung zu regeln, wirft einmal mehr die Frage auf: Ist das demokratisch? Nicht zum ersten Mal entscheidet der Bundesrat ein Thema auf Verordnungsstufe, sodass es einer Volksabstimmung entkommen kann. Gerade in diesem Fall, in dem alle wissenschaftlichen und föderalistischen Argumente dagegen sprechen, fehlt mir das Verständnis.
Die Schweiz kennt das Subsidiaritätsprinzip, ein wichtiges Element des Föderalismus. Das bedeutet, dass Aufgaben und Entscheidungen auf der untersten, am besten geeigneten Ebene gemacht werden sollen. Über Tempo 30 wird in den allermeisten Fällen in den Kommunen entschieden, da es sich um Gemeindestrassen handelt. Wo Kantonsstrassen betroffen sind, ist der Kanton involviert.
Das nationale Parlament hat eine Motion gegen Tempo 30 angenommen. Mit wissenschaftlich falschen und rein emotionalen Argumenten. Nun will der Bundesrat dies so umsetzen, dass auf verkehrsorientierten Strassen 50 km/h gefahren werden muss. Geregelt auf Verordnungsebene, Bundesratskompetenz, kein Referendum möglich.
Dabei sind viele Gemeinden, die mehrheitlich bürgerlich geführt werden, für Tempo 30. Für die Bevölkerung – Tempo 30 ist sicherer für die Fussgängerinnen und Fussgänger und gilt oftmals rund um Schulhäuser. Es ist zudem wissenschaftlich erwiesen, dass man nicht schneller am Ziel ist, wenn der Verkehr sowieso stockt. Sogar das Bundesamt für Strassen kommt in einem Bericht zum Schluss, dass es sicherer und effizienter ist, auf Strassen innerorts Tempo 30 zu fahren. Auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung empfiehlt für die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmenden Tempo 30.
Und jetzt kommt das Verdikt von oben: Ihr müsst Tempo 50 fahren. Es gibt kein faktisches Argument dagegen, und man nimmt den Gemeinden und Kantonen einmal mehr die Kompetenz weg. Sollten wir nicht für alle Politik machen, damit es auch der Situation angepasste Lösungen geben kann? Ich finde, das gehört zur föderalen Schweiz.
* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt hier jeden zweiten Sonntag – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer.