Aus dem Ideen-Labor ETH
Verblüffende Materialien

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich verblüffenden Materialien.
Publiziert: 16.03.2019 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2019 um 16:46 Uhr
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Ordentlicher Professor und seit 1. Januar 2019 Präsident der ETH Zürich.
Foto: ETH Zürich / Markus Bertschi
Joël Mesot

Wir schwingen uns aufs Velo mit faserverstärktem Karbon-Rahmen, wandern in atmungsaktiven Kleidern und backen unseren Kuchen im selbstreinigenden Ofen. Neue Materialien erleichtern unser Leben. Neue Werkstoffe und Techniken waren für den Fortschritt schon immer zentral. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir in der Schule die frühe Menschheitsgeschichte nach den jeweils bestimmenden Materialien einteilten: Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit. Wenn wir den Bogen bis in die Gegenwart spannen, so kann man heute vom Silizium-Zeitalter sprechen, steht dieses Material doch am Anfang der Mikroelektronik und Informatik.

Wir leben im Silizium-Zeitalter

Die Halbleiter moderner Rechner sind daraus gemacht. Damit verbunden ist die rasante Entwicklung von Computer-Hardware in den letzten Jahrzehnten. So vervielfachte sich deren Prozessorleistung. Parallel dazu wurden die Geräte immer kleiner, was schliesslich zum Smartphone von heute führte.

Wie riesig der Techniksprung ist, verdeutlicht ein weiteres Beispiel: Der in den 60er-Jahren für die Apollo-Raumflüge eingesetzte Navigations-Computer brachte es auf 40 000 Rechenoperationen pro Sekunde bei einer Taktrate von 1 MHz. Ein modernes Mobiltelefon ist mindestens 100 000-mal schneller und hat 1  Million Mal mehr Speicher als der Nasa-Computer von damals.

Diese Entwicklung ist noch nicht zu Ende, und doch ist ein Ende abzusehen. Denn es gibt physikalische Gesetze, die der Verdichtung von Transistoren auf Computerchips Grenzen setzen. Weltweit forscht man deshalb nach Lösungen, was auf die Halbleiter-Technologie folgen könnte. Viele setzen auf den Quantencomputer.

Die Materialien der Zukunft

Aber auch bei neuen Materialien ist das Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Hoch im Kurs steht zum Beispiel die Materialklasse der sogenannten Multiferroika, an der im ganzen ETH-Bereich intensiv geforscht wird. Multiferroika sind chemische Verbindungen, meist aus Metallen und Sauerstoff, mit ganz speziellen Eigenschaften. So haben sie eine «innere Ordnung», die sowohl magnetisch als auch elektrisch ist. Wenn diese Erkenntnisse der Grundlagenforschung dereinst zu Anwendungen führen, sind kleinere, schnellere und vor allem deutlich stromsparendere Computer und Datenträger in Reichweite. Das wäre angesichts des zunehmenden Energiehungers unserer Computer und Datenzentren ein Durchbruch. Multiferroika sind übrigens echte «Multitalente» und für weitere Einsatzgebiete interessant.

Welches Material wird der nächsten Technologieentwicklung Pate stehen? Multiferroika oder etwas ganz anderes? Ich weiss es nicht. Aber gewiss werden von den Materialwissenschaften noch viele Impulse ausgehen, die nicht nur in den Informationstechnologien, sondern in der Energie, Medizin etc. für Innovationen sorgen.

Ihr Joël Mesot

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