Was jammern Herr und Frau Schweizer immer, dass ihre Miete zu teuer ist. Dabei sind sie - mindestens teilweise - selber daran schuld. Alle drei Monate wird der neue Referenzzinssatz herausgegeben, der Immobilienbesitzern als Orientierung für die Berechnung von Mieten dient. Heisst: Sinkt der Satz, sollten auch die Mieten nach einer gewissen Frist sinken.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Seit 2008, als erstmals der Bund den Referenzzinssatz publizierte, ist dieser von 3,5 Prozent auf aktuell 1,5 Prozent gesunken. Gleichzeitig stiegen die Mieten um 13,5 Prozent. Bei einer Monatsmiete von 2000 Franken bedeutet das Mehrausgaben von 3000 Franken im Jahr.
Oder anders: Die gesamten Mietausgaben der Schweizer Haushalte betragen derzeit rund 35 Milliarden Franken. Wäre jede der insgesamt sieben Reduktionen des Referenzzinssatzes seit 2008 auf die Mieten überwälzt worden, so würde diese Summe derzeit rund 30 Milliarden Franken betragen, rechnete die «NZZ» unlängst vor. Schweizer Mieter bezahlen also rund fünf Milliarden Franken zu viel!
Mieter nehmen ihre Rechte nicht wahr
Ein Grund für diese Entwicklung: Die meisten Mieter machen ihre Ansprüche nicht geltend! Cipriano Alvarez, der Leiter Recht vom Bundesamt für Wohnungswesen, sagte in der «NZZ»: «Eine Reduktion des Referenzzinssatzes führt nur bei 20 bis 25 Prozent der Haushalte zu einer Senkung der Miete.»
Schuld daran sind aber nicht nur die Mieter, sondern auch die Vermieter. Die müssen von Rechts wegen die Mieter nicht auf diese Tatsache aufmerksam machen und vermeiden es deshalb gerne. Niemand möchte schliesslich Geld verlieren. Jede Reduktion des Referenzzinses um einen Viertelprozentpunkt berechtigt in der Theorie zu einer Mietreduktion um 2,91 Prozent. In der Praxis kann der Vermieter 40 Prozent der Teuerung auf den Mietpreis überwälzen.
Zudem verrechnen die meisten Vermieter eine pauschale Kostensteigerung beim Unterhalt von 0,5 Prozent pro Jahr. Das ist laut Bundesgericht zwar unzulässig, wird in den meisten Kantonen aber trotzdem angewendet.
Trotz dieser Tricksereien seitens der Vermieter lohnt es für den Mieter definitiv, zu handeln. Wer seit 2010 keine Anpassung verlangt hat, hat beispielsweise ein Anrecht auf eine Senkung der Miete um 11,3 Prozent!
Nachfolgend beantwortet BLICK wichtige Fragen zum Referenzzinssatz:
Wie weiss ich, ob ich vom tieferen Referenzzinssatz profitieren kann?
Überprüfen Sie ihren Anspruch: Auf der letzten Mietzinserhöhungsanzeige sollte ersichtlich sein, auf welchem Referenzzinssatz der aktuelle Mietzins beruht. Wenn seit Vertragsbeginn noch keine Mietzinserhöhung erfolgte, so ist der bei Vertragsabschluss aktuelle Zinssatz massgebend. Der Anspruch hängt nebst dem Referenzzinssatz auch von der Teuerung und den allenfalls gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten ab. Je nachdem, wie sich diese Faktoren seit Vertragsschluss oder der letzten gültigen Mietzinsänderung veränderten, fällt der Senkungsanspruch anders aus. Ein Mietzinsrechner auf der Website des Mieterverbands erleichtert die Berechnung.
Die Überprüfung hat ergeben, dass ich einen Anspruch auf eine Mietzinsreduktion habe. Was nun?
Grundsätzlich gilt: Ein Senkungsanspruch verfällt nicht. Auch die Ansprüche aus früheren Referenzzinssenkungen können weiterhin eingefordert werden. Allerdings wird das Senkungsbegehren immer erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin wirksam. Verlangen Sie deshalb vom Vermieter schriftlich die Senkung des Nettomietzinses auf den nächsten vertraglichen Kündigungstermin. Der Brief muss vor Beginn der Kündigungsfrist beim Vermieter eintreffen. Einen Musterbrief gibt es beispielsweise beim Vergleichsportal Comparis. Es wird empfohlen, den Brief zu Beweiszwecken als Einschreiben zu senden. Danach hat der Vermieter 30 Tage Zeit, schriftlich Stellung zu beziehen.
Die Reduktion fällt tiefer aus, als ich erwartet habe.
Der Vermieter wird im Brief erklären, welche Senkung er unter Einrechnung der Teuerung und der zu erwartenden Kostensteigerung weitergibt. Dabei muss er genau erklären, wie er auf seine Berechnung kommt. Hier gilt es, genau zu lesen. Oft ziehen etwa Vermieter für die Kostensteigerung Pauschalen von bis zu 1 Prozent der Nettomiete vom Senkungsanspruch ab, was laut Rechtsprechung nicht zulässig ist. Pauschalen von über 0,5 Prozent müssen Mieter nicht akzeptieren. Es kann auch vorkommen, dass der Vermieter das Begehren ganz ablehnt. Als Grund wird er in der Regel hohe Kosten beziehungsweise getätigte Investitionen, mangelnde Rendite oder fehlende Orts- und Quartierüblichkeit der Miete angeben. All diese Gründe sind für den Vermieter allerdings schwer zu belegen.
Sollten Sie mit seiner Antwort nicht zufrieden sein, holen sie sich fachliche Hilfe, beispielsweise beim Mietverband. Oder sie reichen direkt eine Senkungsklage ein.
Wie muss ich bei einer Senkungsklage vorgehen?
Wenn Sie als Mieter mit der Antwort des Vermieters nicht einverstanden sind, können Sie bei der Schlichtungsbehörde Ihres Wohnbezirks eine Senkungsklage einreichen. Die Frist beträgt 30 Tage ab Erhalt des Antwortschreibens des Vermieters. Einen Musterbrief gibt es beim Mietverband. Man kann sich auch mit einer Senkungsklage an die Schlichtungsbehörde wenden, wenn der Vermieter nicht innerhalb der 30 Tage ein Antwortschreiben sendet.
Ich bin Vermieter. Was kann ich tun, um mein Geschäft durch die immer tieferen Referenzzinsen zu schützen?
Nicht viel. Sie müssen den Mietern die Reduktionen nicht automatisch weitergeben. Dann wäre es aber nur fair, sie würden sich gleich verhalten, falls der Referenzzinssatz einmal erhöht würde. Meldet sich jedoch der Mieter mit einem Senkungsbegehren, sind Sie verpflichtet, den Anspruch zu prüfen und zu antworten.
Wenn ich die Ansprüche weitergebe, mache ich aber Verlust!
Das Bundesgericht sagt, dass ein Vermieter, der keinen kostendeckenden Ertrag erzielt, den Mietzins nicht senken muss. Mit diesem Grund können Sie das Senkungsbegehren des Vermieters ablehnen. In einem allfälligen Verfahren müssen Sie allerdings die Zulässigkeit ihres Ertrags beweisen. Zulässig ist zurzeit ein Nettoertrag von maximal zwei Prozent, bei Neubauten eine Bruttorendite von rund 3,5 Prozent.