Wenn Männerherzen brechen

Ich hatte Max seit fast fünf Jahren nicht mehr gesehen. Er war der Freund einer Kollegin. Wir kannten uns nur flüchtig, wenn sie ihn im Schlepptau hatte, wenn wir gemeinsam in den Ausgang gingen. Meist war Max nämlich allein auf der Piste, was ziemlich viel über sein Wesen sagt.

Max war ein Jäger und Sammler.
Selten nur einer Frau zugetan, hatte er den Ruf, ein notorischer Ladykiller zu sein. Nachdem er meine Kollegin verlassen hatte, verlor ich ihn aus den Augen.

Letzte Woche traf ich ihn per Zufall wieder. Er sass neben mir an einer Bar. Wobei sitzen leicht übertrieben war. Eigentlich hing er über dem Tresen.

Ich erkannte ihn auf den ersten Blick fast nicht. Seine sonst gepflegten, dunklen Locken waren verstrubbelt, unter den Augen hatte er tiefe Ringe, und seine Kleider sahen so aus, als ob er in ihnen geschlafen hätte.

Er hingegen erkannte mich sofort. Er stürzte sich auf mich, als ob wir die dicksten Freunde gewesen wären, und fing an, auf mich einzureden.

Eine Flucht war unmöglich.
Innert der nächsten Minuten erfuhr ich bis ins kleinste Detail, wie seine grosse Liebe D. ihm auf «übelste Weise» das Herz gebrochen hatte, indem sie mit seinem besten Freund davongezogen war.

Max war im Jammertal. Der einst so coole Typ war nur noch ein Schatten seiner selbst. Einer, der sich nie um die Gefühle anderer gekümmert hatte, zerfloss jetzt fast vor Kummer und Selbstmitleid. Als er anfing zu weinen, war ich ziemlich überfordert.

Ich schaute mich um, aber niemand schien Notiz zu nehmen. Im Gegenteil. Überall sah ich Männer, die mit trübem Blick in ihr Bier starrten.
War ich im falschen Film?

Ich verbrachte den Abend mit Max. Und ich lernte viel über ein gebrochenes Männerherz.
Männer und Frauen sind sehr verschieden. Aber im Schmerz sind wir alle gleich. Halt die Ohren steif, Max!