Gemeinsam statt einsam
Zürcher Ehepaar lädt Fremde zu Weihnachten ein

Tania und Yves Woodhatch laden an Weihnachten Leute, die sie nicht kennen, in ihr Zuhause im Kanton Zürich ein. Jeder, der an Weihnachten alleine ist, darf sich bei ihnen melden.
Publiziert: 21.12.2019 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2019 um 11:35 Uhr
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Tania (38) und Yves (43) Woodhatch öffnen jedes Jahr an Weihnachten ihre Türen.
Foto: Zvg
Anne Sophie Carruzo

Weihnachten – das Fest der Liebe und Gemeinschaft. Doch nicht alle Menschen haben jemanden zum Feiern. Schätzungsweise verbringt rund fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung Weihnachten alleine. Für diese Menschen möchte das Ehepaar Tania (38) und Yves (43) Woodhatch da sein. «Wir öffnen unsere Türen für Menschen, die nicht mit ihrer Familie feiern können oder wollen», erklärt Tania, als BLICK sie in ihrem Zuhause im Kanton Zürich besucht. Seit bald zehn Jahren engagiert sie sich gemeinsam mit ihrem Mann jedes Jahr an einer Weihnachtsveranstaltung.

Früher halfen sie regelmässig in der lokalen reformierten Kirche am Weihnachtsfest mit. Dort empfingen sie Menschen, die niemanden zum Feiern hatten. Sie merkten aber auch, dass es an solchen Veranstaltungen fast keine Personen in ihrem Alter gab, und überlegten sich darum, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Seit fünf Jahren feiert das Paar Weihnachten darum bei sich zu Hause – mit lauter Fremden.

Ein Fest für alle

Jedes Jahr laden sie an Heilig Abend etwa zehn Leute zu sich nach Hause ein. Über Facebook und andere sozialen Medien macht Tania Woodhatch jedes Jahr einen öffentlichen Aufruf. Jeder kann sich darauf melden. Herkunft, Geschlecht, Einkommen und Konfession spielen dabei keine Rolle. «Wir kennen einige Leute, die es im Leben sehr schwer hatten, und wir wissen auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig Gemeinschaft ist», erklärt Woodhatch. Das Paar ist christlich, will aber nicht, dass die Religion im Vordergrund steht. Alle sollen sich wohlfühlen.

Negative Erlebnisse hätten sie bisher keine gehabt. Im Gegenteil, die Dankbarkeit der Gäste ist gross. «Einmal ist eine Frau in Tränen ausgebrochen, weil sie so dankbar war. Sie konnte fast nicht glauben, dass es Menschen gibt, die Nächstenliebe zeigen», erinnert sich Woodhatch.

Einmal seien mehrere Flüchtlinge von der nahe gelegenen Asylunterkunft Teil der weihnachtlichen Runde gewesen, erzählt Woodhatch weiter. Beim Verdauungsspaziergang zeigte einer der Asylsuchenden den anderen sein zu Hause. «Einige von Ihnen waren noch nie in einer Asylunterkunft gewesen, und er hatte Freude, dass er zeigen durfte, wo er wohnte.»

«Jedes Weihnachtsfest ist ein Abenteuer», erzählt Tania Woodhatch. Wie viele Leute kommen, wissen sie bis im letzten Moment nicht. Doch das Paar lässt sich durch die Ungewissheit nicht stressen. «Es geht um die Gemeinschaft.» Die Zürcherin kocht etwas Gutes, aber nichts Extravagantes, und die Wohnung ist meistens nur spärlich geschmückt. Auch an diesen Weihnachten werden sie es gemütlich nehmen, denn sie haben eines der strengsten Jahre hinter sich. Das Paar betreibt eine eigene Firma und stellt Gewürze her.

Eigene Erfahrung mit Einsamkeit

Die Motivation des Ehepaars, an Weihnachten für andere da zu sein, kommt nicht von ungefähr. Yves Woodhatch weiss, wie es ist, wenn man kein Dach über dem Kopf hat und ganz alleine ist. «Ich war selbst auf der Gasse und komme aus der Drogenszene», erzählt er. Er hat die Weihnachtsfeier der Heilsarmee erlebt und war immer sehr froh, dass es dieses Fest gab. Solche Gemeinschaften, wie auch zum Beispiel die Gassenküche, waren ihm ein wichtiger Stützpunkt, wie er erzählt. «Jetzt habe ich alles, was ich brauche, warum sollte ich da nicht mit anderen Menschen teilen? Ich will die Türen öffnen für Leute, die nichts und niemanden haben.»

«Unsere Türen sind sowieso immer offen, das Weihnachtsfest ist nur eine Ausdehnung unseres Alltags», fügt Tania Woodhatch an. Das Ehepaar freut sich auf einen gemütlichen Abend und die neuen Bekanntschaften. Dieses Jahr sind an ihrem Tisch noch ein paar wenige Plätze frei.

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