Der Grund sind meine Disziplinlosigkeit und die sehr enggestrickten Verkehrsregeln in der Schweiz. Ich bin mit einem Auto zweimal in ein Tram gefahren (das machen alle Deutschen, wurde mir damals gesagt), mehrfach in Tränen ausgebrochen ob Strafzetteln über 100 Stutz an der Windschutzscheibe und habe horrende Summen für Geschwindigkeitsüberschreitung gezahlt. Aber Schwamm drüber, es passiert mir ja nicht mehr, denn ich bin ja durch Schaden klug, und zum Glück gibt es Uber.
Für die, die es noch nicht wissen: googeln Sie es! Bei uns gibt es meistens ohnehin nur die billigste Variante, Uber-Pop. Die schicken Uber-Black-Limousinen mit Türe-Aufhalten und Evian kosten mehr und sind nur am Wochenenende unterwegs. Pop-Fahrer haben keine Taxi-Lizenz und kommen mit ihrem eigenen Auto, das kann Traum oder Alptraum sein. So wie bei Fahrer Charlie, ein Deutscher, der mich vor ein paar Wochen mit seiner Schrottkarre abholte, mir ungefragt sein ganzes Leben erzählte (auf schweizerdeutsch) und danach auch noch meines aus mir herausquetschen wollte, so dass er trotz Navy viermal am Haus meiner Freundin vorbeifuhr. Ich bitchte ihn an: «Sie sollten weniger reden und sich mehr aufs Fahren konzentrieren.» Dann gab ich ihm fünf Stutz Trinkgeld, weil er mir leid tat.
Vorgestern will ich zum Bahnhof und siehe da: Fahrer Charlie kommt. Ich höre ihn schon reden, bevor ich die Treppen zum Auto hinunter gegangen bin. «So ein grosses Haus. Wohnen Sie hier? Ist das Ihr Haus? Und den Garten kann man ja im Sommer gut nutzen. Nutzen Sie ihn? Wo fahren Sie hin, was machen Sie da, wie lange bleiben Sie?» Ich schwieg und versuchte, von hinten schlechte Vibes zu verbreiten.
Als Charlie mich nach dem Preis meines Bus-Tickets fragte, platzte ich. «Keine Ahnung!», brüllte ich ihn an. «Aber wir kennen uns doch! Erinnern Sie sich nicht an mich?», rief Charlie, als hätten wir schon zusammengewohnt. «Doch, ich erinnere mich!», schrie ich. «Aber ich habe keine Lust, mich mit Ihnen zu unterhalten.» «Ich habe Ihnen sogar eine 5-Sterne-Bewertung gegeben», sagte er frech, schwieg beleidigt und fing zur Strafe an zu stinken. Ich kurbelte das Fenster hinunter. «Zu warm?», fragte Charlie. Nein!», schrie ich. Ich gab ihm kein Trinkgeld. Soll er mir doch eine schlechte Bewertung geben. Noch einmal Charlie und ich bin genug diszipliniert, um wieder selbst Auto fahren zu können.
Wäis Kiani, Schriftstellerin und Stil-Liebhaberin, schreibt jeden Sonntag über ihre Beobachtungen im Alltag.