Bern, Ecke Freiburgstrasse zur Brunnmattstrasse: Vor der Kinder-Notfallaufnahme des Inselspitals herrscht Chaos. Autos stehen kreuz und quer, Menschen wuseln herum, und Polizisten in Montur versuchen sie in Schach zu halten.
Im Eingangsbereich stehen Lazarettzelte, notdürftig abgedeckt durch Sichtschutz. Und aus den Autoradios ertönt ein Sprecher: «Die Sommergrippe hält nun schon seit einigen Wochen an, trotz Massenimpfung. Über hundert Menschen sind in der vergangenen Woche an den Folgen des Virus gestorben.»
Keine Berner Laubenidylle
Nein, das ist nicht die Schilderung momentaner Zustände im Zuge der Corona-Krise, sondern die Beschreibung einer fotorealistisch gezeichneten Doppelseite aus dem Comicband «The Fall» des Berner Autors Jared Muralt (38). 2018 hat er diese düstere Vision in einem ersten Band veröffentlicht, Anfang April folgt die Fortsetzung.
Tödliche Viren, Hamsterkäufe, Plünderungen, Massenflucht und eine vorausgehende Hitzewelle: «The Fall» ist wie die Bildergeschichte zum aktuellen Fall. «Recht surreal» fühle es sich an, wenn seine Zeichnungen einen Wirklichkeitsbezug bekommen, sagt Muralt. Die Folge: Alle wollen nun seinen Comic kaufen. «Die Bestellungen in unserem Onlineshop sind seit Ausbruch des Coronavirus rasant gestiegen», sagt er.
Im Zentrum von «The Fall» stehen Liam, seine Teenagertochter Sophia und ihr kleiner Bruder Max. Mutter Marie, die im Spital arbeitet, fällt dem Virus zum Opfer. So kämpfen sie sich zu dritt durch eine zerstörte urbane Landschaft, angelehnt an die hässlichen Seiten von Bern. Nichts da von Laubenidylle der Altstadt.
Reiner Egoismus statt Solidarität
«Als ich 2016 mit dem Schreiben an ‹The Fall› begann, wollte ich die Verletzlichkeit unserer Wohlstandsgesellschaft zeigen und herausfinden, was sich unter dem Deckmantel unserer Zivilisation versteckt», sagt Muralt. Er habe die Katastrophe oft in seinem Kopf durchlebt, und ein Teil von ihm sei in Furcht gewesen, so etwas könne wirklich passieren.
Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen seiner gezeichneten und unserer von der Corona-Krise gezeichneten Welt. «Im Gegensatz zur aktuellen Situation trifft die Pandemie in meiner Geschichte eine Gesellschaft, die bereits unter einer schweren Wirtschaftskrise leidet, und gibt ihr somit den Todesstoss», sagt Muralt.
«The Fall» präsentiert ein feindliches Umfeld: In einer geplünderten Coop-Filiale können Liam und seine Kinder noch Milch, Äpfel und eine letzte Packung Teigwaren ergattern. Doch das Glück ist von kurzer Dauer: Ein Mann bedroht sie mit einem Messer und nimmt ihnen die Ware gleich wieder ab. Nichts da von Solidarität, reiner Egoismus regiert.
Das Comic-verrückte Frankreich entdeckt Muralt
So pessimistisch, Jared Muralt? «Nein, ich glaube an das Gute im Menschen», sagt er und fährt einschränkend fort, «solange er für sich und seine Kinder genügend zu essen hat.» Insofern ist Muralt – selber Vater von dreijährigen Zwillingen – optimistisch, was die Corona-Krise anbelangt, denn die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln ist hier und heute gewährleistet.
«Ich empfinde die Lage als sehr ruhig und friedlich», sagt er. «Die Stille hat beinahe etwas Idyllisches.» Er könne plötzlich viel Zeit mit seiner Partnerin und den Kindern verbringen und habe zwangsläufig auch mehr Raum für sich selber. Eine idyllische Stille, in die während der letzten Tage immer wieder das Handy reinfunkte und für Hektik sorgte. Grund: Im Comic-verrückten und Corona-erschütterten Frankreich ist eben der erste Band von «The Fall» unter dem Titel «La Chute» (der Absturz) erschienen.
Muralt durfte einige Interviews geben, und die Tageszeitungen «Le Monde» und «Le Figaro» veröffentlichten wohlwollende Kritiken. So schrieb «Le Figaro» von einem beängstigenden Taucher in die Apokalypse, der mit der Aktualität erschreckend übereinstimme. «Für einen Comiczeichner aus der Schweiz empfinde ich das als grosse Ehre», sagt Muralt. Er sei sich allerdings bewusst, dass er das grosse Echo auch den Umständen der Krise zu verdanken habe.
«Mich interessiert die Verwandlung»
Jared, ein alttestamentarischer Name mit der Bedeutung «Abstammung», kommt 1982 als Sohn eines Italieners und einer Schweizerin in Bern zur Welt. Nach dem Vorkurs an der Schule für Gestaltung in seiner Geburtsstadt absolviert Muralt eine Lehre als Dekorationsgestalter. Als freischaffender Grafiker, der auch schon für die «New York Times» arbeiten durfte, gründet er 2011 zusammen mit drei Freunden das Berner Grafik-Kollektiv Blackyard, wo er «The Fall» publiziert.
«Fin du monde» (2012), «The End of Bon Voyage» (2015), «Totentanz» (2016): Das sind die Titel einiger früherer Werke von Jared Muralt. Woher rührt sein Interesse für das Endliche? «Mich interessiert vor allem die Verwandlung» sagt er, «der Übergang von einem Zustand in den nächsten.» Das Destruktive sei nur ein Teil, danach komme etwas Neues.
Auf die Frage, ob er seine Figuren gerne leiden sehe, muss er kurz lachen und sagt, so weit würde er nicht gehen. «Aber man kann keine postapokalyptische Story schreiben, in der die Protagonisten nicht unten durch müssen», sagt Muralt und ergänzt im Hinblick auf die Realität: «Man muss sich auch vor Augen halten, wie viele Menschen auf unserem Planeten tatsächlich nahe am Nullpunkt leben, ohne dass man dies als Apokalypse bezeichnet.»
Aus dem Stadt-Chaos in die Berg-Hölle
Im zweiten Sammelband von «The Fall» werden Liam und seine beiden Kinder von der Hungersnot aus der Stadt aufs Land zu den Grosseltern getrieben. Jetzt dient nicht mehr Bern als Vorlage für die Zeichnungen, sondern das Walliser Bergdorf Gondo und das Hotel Gornergrat ob Zermatt. Die vermeintliche Rettung erweist sich allerdings als fataler Irrtum, denn zu allem Übel kommt in den Bergen der Schnee dazu.
Liam, Sophia und Max schleppen sich mit letzter Kraft zur Hütte der Grosseltern. Doch dann: «Alles leer! Nichts zu essen, und wo sind Alma und Grandpa?», fragt Sophia. Resigniert stellt sie fest: «Nichts von dem, was Papa uns versprochen hat, ist wahr!» Auf dem Gipfel sind die drei am Tiefpunkt angelangt. Doch Jared Muralt verspricht Besserung, denn mit dem zweiten Band ist «The Fall» nicht zu Ende – Fortsetzung folgt.
Da zeigt sich wieder der Optimist Muralt. «Ja, im Grossen und Ganzen würde ich von mir sagen, dass ich die Welt positiv sehe», sagt er. Um dann gleich wieder einzuschränken: «Es gibt allerdings einige Themen, da bin ich eher pessimistisch gestimmt.» Der Stoff für seine apokalyptischen Comics wird ihm also nicht ausgehen.
Jared Muralt, «The Fall» Band 2, Tintenkilby-Verlag, ab 4. April online erhältlich über: shop.blackyard.ch
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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Gerade in der Grippesaison kann man selber nur schwer einschätzen, ob man am Coronavirus erkrankt ist oder ob man einfach eine gewöhnliche Grippe hat. Die Unterschiede sind fein, aber es gibt sie. Blick klärt auf.
Gerade in der Grippesaison kann man selber nur schwer einschätzen, ob man am Coronavirus erkrankt ist oder ob man einfach eine gewöhnliche Grippe hat. Die Unterschiede sind fein, aber es gibt sie. Blick klärt auf.
Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit, wie Sie sich selbst schützen können:
Hygienemassnahmen
- Hände regelmässig mit Wasser und Seife waschen und/oder Desinfektionsmittel nutzen.
- Nicht in Hände niesen oder husten, sondern Taschentuch oder Armbeuge nutzen. Taschentücher anschliessend sofort korrekt in geschlossenem Abfalleimer entsorgen.
- Bei Fieber und Husten zwingend zu Hause bleiben.
Kontakt minimieren
- Zu Hause blieben und Kontakte mit Personen möglichst minimieren. Nur in Ausnahmesituationen aus dem Haus gehen: Lebensmittel einkaufen / Arzt- oder Apothekenbesuch / Homeoffice ist für Ihre Arbeit nicht möglich / Sie müssen anderen Menschen helfen. Kontakt mit Personen vermeiden, die Atembeschwerden oder Husten haben.
- Wichtig: Keine Begrüssungsküsschen, keine Umarmungen, kein Händeschütteln.
- 2 Meter Abstand zu Mitmenschen halten, beispielsweise beim Anstehen oder bei Sitzungen.
- Öffentliche Verkehrsmittel meiden und Lieferdienste nutzen.
-
Bei Symptomen (Atembeschwerden, Husten oder Fieber) nicht in die Öffentlichkeit gehen und umgehend – unbedingt zuerst telefonisch – eine Ärztin, einen Arzt oder eine Gesundheitseinrichtung kontaktieren.
Informiert bleiben
- An die Regeln und Ansagen der Behörden halten. Infoline Coronavirus: 058 463 00 00, Info-Seite des BAG: bag-coronavirus.ch
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Hygienemassnahmen
- Hände regelmässig mit Wasser und Seife waschen und/oder Desinfektionsmittel nutzen.
- Nicht in Hände niesen oder husten, sondern Taschentuch oder Armbeuge nutzen. Taschentücher anschliessend sofort korrekt in geschlossenem Abfalleimer entsorgen.
- Bei Fieber und Husten zwingend zu Hause bleiben.
Kontakt minimieren
- Zu Hause blieben und Kontakte mit Personen möglichst minimieren. Nur in Ausnahmesituationen aus dem Haus gehen: Lebensmittel einkaufen / Arzt- oder Apothekenbesuch / Homeoffice ist für Ihre Arbeit nicht möglich / Sie müssen anderen Menschen helfen. Kontakt mit Personen vermeiden, die Atembeschwerden oder Husten haben.
- Wichtig: Keine Begrüssungsküsschen, keine Umarmungen, kein Händeschütteln.
- 2 Meter Abstand zu Mitmenschen halten, beispielsweise beim Anstehen oder bei Sitzungen.
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-
Bei Symptomen (Atembeschwerden, Husten oder Fieber) nicht in die Öffentlichkeit gehen und umgehend – unbedingt zuerst telefonisch – eine Ärztin, einen Arzt oder eine Gesundheitseinrichtung kontaktieren.
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