Stefan und Stefanie über den Stephanstag
«Stefan ist ein Name ohne Eigenschaften»

Heute ist der Stephanstag. Was bedeutet es, diesen Vornamen zu tragen? Das SonntagsBlick Magazin hat mit Stefan Zweifel und Stefanie Grob darüber gesprochen und gibt Einblick in einen der häufigsten Schweizer Taufnamen.
Publiziert: 26.12.2021 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2021 um 06:46 Uhr
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Mundartautorin Stefanie Grob mit einem Kranz, denn Stephan ist griechisch und bedeutet «der Bekränzte».
Foto: Philippe Rossier
Daniel Arnet

Jeder Tag ist ein Namenstag. Doch nicht jeder Tag ist vom Namen so geprägt wie der heutige. Zwar gibt es etwa noch Silvester (31. Dezember), Berchtoldstag (2. Januar) oder den Valentinstag (14. Februar), aber hörten Sie schon einmal vom Sophias- (15. Mai), Bernhards- (20. August) oder Elisabethstag (19. November)? Wohl kaum.

Der heutige zweite Weihnachtsfeiertag ist dem Heiligen Stephanus (1–36/40 n. Chr.) gewidmet, dem ersten christlichen Märtyrer, der wegen seines religiösen Bekenntnisses zu Tode kam: «Und sie steinigten Stephanus, der rief den Herrn an und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!», steht in der Apostelgeschichte geschrieben.

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Der Name Stephan deutet auf seine hellenische Herkunft hin, denn er ist griechisch und bedeutet zu Deutsch «der Bekränzte» oder «der Gekrönte». Ironie des Schicksals, dass die Mundartautorin Stefanie Grob (46) trotz doppelter Impfung just an dem Tag an Corona (lateinisch für «Kranz» und «Krone») erkrankt, als wir sie zusammen mit dem Philosophen und Übersetzer Stefan Zweifel (54) zum Gespräch bitten.

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So treffen wir uns per Videokonferenz:

Stefanie Grob, Stefan Zweifel: Wie stellen Sie sich in einem persönlichen Rahmen vor?
Stefan: Stefan, so steht es im Pass.
Stefanie: Ich stelle mich als Stefanie vor. Aber drei Sekunden später sagen mir die Leute schon Steffi. Das nervt!

Kommt das häufig vor?
Stefanie: Dauernd! Das ist bei keinem andern Namen so ausgeprägt – okay, vielleicht noch bei Gabriella, die mutiert ja auch innert Sekunden zu Gabi.

Foto: Philippe Rossier

Wie reagieren Sie dann jeweils?
Stefanie: Ich sage: «Stopp, Steffi hasse ich, wenns kurz sein muss, sagt bitte Ste.»
Stefan: Geht deine Abneigung auf Steffi Graf zurück?
Stefanie: Nein, die finde ich toll! Und sie hat das Image des Namens immerhin sportlicher gemacht. Weg von Stéphanie von Monaco hin zu nahbar, proper, Pferdeschwanz. Meine Steffi-Aversion hab ich, weil es zu niedlich klingt. Und in Bern ist man ja sogar «ds Steffi», also: DAS Steffi. Total kindlich, sächlich, debil.
Stefan: Ich habe zwei Kollegen, die mir Steffi sagen – und ich bin megaguter Laune, wenn die das machen. Dann fühle ich mich immer als kleines Kind, das keine Verantwortung hat. Aber sonst ist mein Vorname in keiner Form verunstaltet worden.

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Stefan ist in der Schweiz ein häufiger Vorname: Gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) gibt es hierzulande 30'896 Buben, die in den letzten hundert Jahren so getauft wurden. Nimmt man noch die landessprachlichen Abwandlungen wie Stéphane und Stefano dazu, so sind es 43'189 Knaben und Männer, die seit 1920 auf diesen Namen hörten und hören – die Gruppe rangiert damit hinter Hans auf Platz 8 der häufigsten männlichen Vornamen.

Das weibliche Pendant Stefanie ist weit weniger häufig: 9551 zählt das BfS in den letzten hundert Jahren. Doch auch hier schlägt der Variantenreichtum zu Buche, sodass sich die Zahl mit Stephanies, Stéphanies und Stefanias auf 22'470 mehr als verdoppelt. Damit verpassen die so Gerufenen nur knapp die Top 20 der häufigsten weiblichen Vornamen in der Schweiz.

Den Höhepunkt der Beliebtheit hatte der Name Stefan im Jahr 1968: Fast tausend damals geborene Knaben erhielten diesen Namen – mit den Varianten beinahe 1500. Bei den Mädchen ist der Wellenkamm gut 20 Jahre versetzt: 1987 tragen über tausend Eltern in der Schweiz Stefanie, Stéphanie oder Stefania ins Taufregister ein. Dafür dürfte die mediale Präsenz des Namens verantwortlich sein: 1987 sorgte die deutsche Tennisspielerin Steffi Graf (52) für Schlagzeilen und erreichte erstmals die Weltranglistenspitze.

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Haben Ihre Eltern Ihnen gesagt, wieso sie Ihnen diesen Namen gaben?
Stefanie: Meine Eltern schrieben vor meiner Geburt Kärtchen. Und weil es noch keinen Ultraschall zur Geschlechtsbestimmung gab, schrieben sie: «Wir freuen uns über die Geburt von Stefan.» Und als ich dann auf die Welt kam, fügten sie einfach noch ein «ie» hinten an. Diese Thematik von «Bin ich gemeint oder nur mitgemeint?», «Ist die weibliche ein Anhängsel der männlichen Form?», die wurde mir buchstäblich schon in die Wiege gelegt.
Stefan: Meine Mutter wollte mich ursprünglich Michael nennen – das ist jetzt mein zweiter Vorname. Damals sagte ihr ein Arbeitskollege, dass alle Michael heissen. Sie solle doch einen anderen Vornamen nehmen. Da erinnerte sie sich an den Schriftsteller Stefan Zweig und nahm dessen Vornamen – aber Stefan war damals nicht weniger häufig.

Foto: Philippe Rossier

Wie sagen Ihnen die Eltern heute?
Stefanie: Meine haben sich angewöhnt, Ste zu sagen.
Stefan: Meine Eltern sagen mir stets Stefan. Doch bei mir ist der Nachname eh übermächtiger. Der Vorname ist ein nettes Hündchen, das neben mir an der Leine herläuft: Es bellt nicht, und niemand bemerkt es.
Stefanie: Ja, als ich meinen Kindern sagte, ich rede heute mit Stefan Zweifel, riefen sie: «Cool, ist das der, der die Chips macht?»

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Der Schweizer Schauspieler Stefan Gubser (64), der deutsche TV-Entertainer Stefan Raab (55) oder der Schweizer Comedian Stefan Büsser (36): Diese Namensvetter stehen immer wieder auf grossen Bühnen und sorgen für Spektakel. Selbst der bedächtige Stefan Zweifel steht dem nicht nach und sorgte von 2012 bis 2014 als Diskussionsleiter des «Literaturclubs» von SRF für Aufsehen – besonders nach einem Rencontre vor laufender Kamera mit der deutschen Kritikerin Elke Heidenreich (78).

Aber auch Stefanies stehen auf unterschiedliche Art im Rampenlicht – rappend Steff la Cheffe (34) aus Bern, royal die Prinzessin aus Monaco (56) oder theatral die Schweizerin Glaser (1920–2011). «Sie stand für eine offene, freche, lustige Schweiz», sagte alt Bundesrat Moritz Leuenberger (75) an der Trauerfeier für Stefanie Glaser. Eine Charakterisierung, die auch auf andere Stefanies zuzutreffen scheint – nicht zuletzt auf Stefanie Grob, die mit ihren träfen Beiträgen für die SRF-Satiresendung «Zytlupe» immer wieder aufhorchen lässt.

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Kennen Sie andere Stefans und Stefanies?
Stefan: Ich hatte einmal einen guten Freund, den Theaterregisseur Stefan Bachmann. Wir glichen uns sehr und redeten sehr ähnlich, sodass wir uns als Zwillinge hätten ausgeben können – aber wir hätten dann nicht erklären können, wieso wir beide Stefan heissen.
Stefanie: Ich ging mit einer Stefanie in die Mittelschule. Weil ich schlecht in Französisch war, aber super in Englisch und sie umgekehrt, sass sie immer exakt eine Reihe vor mir. Wenn der Französischlehrer «Stéphanie» aufrief, antwortete immer sie, auch wenn ich gemeint war. Und bei «Stefanny» in den Englischstunden genau umgekehrt – so schmierten wir mündlich nicht ab.

Foto: Philippe Rossier

Wenn Sie auf einen anderen Stefan oder eine andere Stefanie treffen: Schauen Sie dann eher auf Ähnlichkeiten oder Unterschiede?
Stefan: Bei einem Namen ist immer die Frage: Gehört der Name mir oder gehöre ich dem Namen? Er ist der Versuch, jemanden singulär zu bezeichnen. Stefan ist kein Vorname, der viele Assoziationen oder Vorurteile auslöst, sodass ich sein Sklave wäre.
Stefanie: Das ist immerhin ein Vorteil. Das gibt einem Freiheiten. Als Mandy oder Kevin hat man in der Schule nachweislich schlechtere Chancen. Aber Stefan oder Stefanie … das schliesst keine Türen, es öffnet keine – ah doch, jetzt hier erstmals zu diesem Gespräch!

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Der Stefani-, Stefans- oder Stephanstag ist ein ereignisreicher: 1606 kommt «King Lear» von William Shakespeare (1564–1616) am englischen Hof zur Uraufführung, 1991 tritt Michail Gorbatschow (90) als Staatspräsident zurück, womit die Sowjetunion Geschichte ist, und 1999 fegt der Orkan Lothar über die Schweiz und verwüstet viele Wälder.

Während an diesem Tag Friedrich II. (1194–1250), deutscher König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sowie Mao Zedong (1893–1976), chinesischer Kommunistenführer und Staatspräsident, zur Welt kommen, sterben an einem 26. Dezember der deutsche Troja-Entdecker Heinrich Schliemann (1822–1890) und der amerikanische Nachkriegspräsident Harry S. Truman (1884–1972).

Ein Kommen und Gehen bestimmt auch den Volksglauben zu diesem Tag zwischen den Jahren: In Schweden ist am Stephanstag ein Wettfahren aus der Kirche gebräuchlich, indem der zuerst nach Hause Kommende auch die Ernte des Jahres zuerst einzubringen hofft. Und überall reitet man dann die Pferde aus – so schnell wie möglich, um sie vor Hexen oder vor Krankheiten zu schützen.

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Hat der Stephanstag für Sie eine besondere Bedeutung?
Stefan: Stephanstag ist ein freier Tag – das ist natürlich toll! Und weil ich ein paar Tage zuvor am 22. Dezember Geburtstag habe, kommen manchmal noch verspätete Gratulationen. Bei mir haben sich jeweils über die Tage Geschenke aufgestaut.
Stefanie: Ich habe mich beim Stephanstag noch nie mitgemeint gefühlt. Es hat mir noch niemand dazu gratuliert, geschweige denn ein Geschenk gemacht, obwohl meine Gotten und Göttis meinen Geburtstag kurz vor Weihnachten auch häufig mal verpennt haben.

Foto: Philippe Rossier

Stefan: Ich assoziiere mich übrigens nicht zu Stephan, obwohl ich das PH sehr gerne habe – durch die Philosophie und all die alten griechischen Namen. Aber ich habe nicht das Gefühl, mich zum PH entwickeln zu müssen.
Stefanie: Ich habe eine Vollnamensschwester, die heisst Stephanie Grob mit PH. Sie ist bildende Künstlerin in Basel. Ich habe immer die Hoffnung, sie mal kennenzulernen – vielleicht zu einer Vernissage, wo sie ausstellt und ich Spoken Word mache.
Stefan: Ausser in einer Galerie, in der mir ein heiliger Stephan begegnet, ist mir sonst keiner über den Weg gelaufen – auch nicht in der Literatur. Der Name Ulrich aus dem «Mann ohne Eigenschaften» ist geprägt durch die Literatur. Stefan ist ein Name ohne Eigenschaften.

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Das mag stimmen. Dafür gibt es einige Stefanies und Stefans, die voller Eigenschaften schreiben: lebensnah die deutsche Autobiografin Stefanie Zweig (1932–2014, «Nirgendwo in Afrika»), aufrüttelnd der Schweizer Autor Stefan Keller (63, «Grüningers Fall»), witzig die österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel (35, «Dicht. Aufzeichnung einer Tagediebin») und furchteinflössend der US-Horrorschreiber Stephen King (74, «Shining») – ein vielfältiges Ensemble voller Bekränzter und Gekrönter!

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