Am Mittwoch fühlte es sich an wie ein ganz normaler Abend im Winterthurer Musikclub Albani. Eine Band bespielte die kleine Bühne, die Gäste feierten und stiessen an. Doch das Traditionslokal hatte turbulente Wochen hinter sich. Denn der vermutlich älteste Musikclub der Schweiz stand zum Verkauf.
Die Bestürzung in Winterthur war gross. Schon seit rund 120 Jahren ist das Haus des Albani ein Musikclub. Auf der kleinen Bühne sind bereits Bands wie Pearl Jam und Lo & Leduc aufgetreten. Und nun hatten die bisherigen Besitzer das Haus an der Steinberggasse zum Verkauf ausgeschrieben. Die Mieterin, die Albani Music-Club AG, befürchtete, unter neuen Besitzern bald ausziehen zu müssen. Denn am meisten bot mit 3,28 Millionen eine finanzstarke Immobilienfirma aus dem Kanton Schwyz. Der einzige Trumpf im Albani-Ärmel: Das im Mietvertrag erwähnte Vorkaufsrecht. Dafür fehlten also 3,28 Millionen Franken.
Das Albani sammelte eine halbe Million – in nur zwei Wochen
Das Clubteam schmiedete einen Masterplan: Um eine Hypothek aufnehmen zu können, brauchte es 1,5 Millionen Franken Eigenkapital. Eine Million stellten Privatpersonen aus dem Umfeld des Teams zur Verfügung. Für die restlichen 500'000 Franken schaltete die Crew am 23. September einen Spendenaufruf online. Eine halbe Million in nur drei Wochen. «Das ist ein hoher Betrag für eine Crowdfunding-Kampagne», sagt Simon Amrein, Crowdfunding-Forscher von der Hochschule Luzern.
Es sei die grösste Kampagne, die Winterthur je gesehen habe, sagt Olivia Staub (27), Kommunikationsverantwortliche des Albani. Sie rechnete damit, dass es knapp werden würde: «Ich war darauf eingestellt, bis zur letzten Minute Flyer zu verteilen.» Doch dann die Überraschung: Bereits nach zwei Wochen war die 500’000-Franken-Grenze überschritten. «Wir waren einfach nur überwältigt», sagt Staub.
Doch wer sind die fast 2500 Spenderinnen und Spender, die Beträge zwischen 10 und 50’000 Franken gespendet haben? «Es ist schwer, den durchschnittlichen Albani-Gast zu beschreiben», sagt Staub. «Vom Programm und der Kundschaft her sind wir ein buntes Mosaik.» Im Albani fänden alle einen Platz. «Und weil es das Albani schon so lange gibt, haben viele Leute darin viele Geschichten erlebt», sagt Staub.
Crowdfunding könnte Klubszene helfen, Corona zu überbrücken
In diesem Fall hatte die Crowdfunding-Aktion nichts mit Corona zu tun. Doch könnte das Albani trotzdem ein Modell für andere Clubs sein, die durch Corona in Schieflage geraten? Im Moment sind erste Kantone wegen der hohen Fallzahlen wieder dabei, ihre Clubs zu schliessen. Crowdfunding-Experte Amrein sieht grosses Potenzial in der Finanzierungsform: «Musikclubs sind mit ihrer breiten Kundenbasis prädestiniert für Crowdfunding.» Es sei auch für die Vorfinanzierung von Liquiditätsengpässen geeignet, sagt er. Und gerade diese seien während Corona ja oftmals das Problem der Betriebe. Doch man müsse sich bewusst sein, dass Crowdfunding-Kapital nicht zwingend günstig sei, sagt Amrein. «Eine professionelle Vorbereitung und Durchführung benötigt viel Zeit.»
Das Konzert am Donnerstag hätte eigentlich ein Benefizkonzert sein sollen, um das Crowdfunding zu unterstützen. «Doch nun haben wir das Geld schon beisammen. Und das feiern wir jetzt einfach», sagt Staub. Den Gästen sind ihre Erinnerungen im Albani einiges wert. Deshalb stiessen sie an. Auf die vielen gesammelten Nullen hinter der Fünf und auf die zukünftigen Erinnerungen, die dank ihnen ermöglicht werden.