Darum gehts
- Autorin arbeitet hinter der Glacevitrine und berichtet über Erfahrungen
- Glace verkaufen ist anstrengend, herausfordernd und überraschend herzlich
- Gelateria di Berna hat elf fixe Filialen in der Schweiz
Der Löffel klebt, die Kühlung brummt, und ich kämpfe mit einem Cornet, das mir direkt beim ersten Versuch bricht. So beginnt mein Tag hinter der Glacevitrine. Genauer gesagt: in der Gelateria di Berna an der Mittelstrasse in Bern. Sie ist eine der mittlerweile elf fixen Filialen in der Schweiz und gilt als angesagteste Glace-Manufaktur des Landes. Heute bin ich Teil des Teams. Zumindest für ein paar Stunden.
Während Lydia Schebesta (31), mein Gspändli für die heutige Schicht, die Glacetheke auf Vordermann bringt, Cornets auffüllt und die Sorten anschreibt, bekomme ich von der Standortleiterin einen Crashkurs: Wie die Glace vom Hauptsitz im Weyermannshaus in Bern in die Vitrinen kommt – Produktion, Schockfrosten, Tiefkühler. Ich erfahre, dass 50 Prozent des Teams erst seit dieser Saison dabei sind. Viele arbeiten neben dem Studium hier. Auch, weil der Sommerjob gut mit den Semesterferien zusammenpasst.
Und dann ist es so weit: mein erster Scooping-Versuch. Mango-Glace. Meinen Schmuck habe ich abgelegt, die Haare zusammengebunden, das Gelateria-Käppchen aufgesetzt, die Schürze umgebunden. Nun soll ich mit dem Löffel eine runde Kugel formen. Im Becher klappt es halbwegs, aber im Cornet bricht mir gleich mal die Waffel. Hoppla.
Es braucht einen starken Rücken
Nach der zweiten Portion spüre ich schon meine Hand. Die Standortleiterin rät mir, den ganzen Körper zu nutzen. Jetzt, einen Tag später, meldet sich mein unterer Rücken deutlich. Scoopen ist eine Ganzkörperübung, wer hätte das gedacht.
Lydia, mit der ich die Schicht teile, wohnt im Quartier und war früher Stammkundin. Jetzt arbeitet sie seit März selbst an der Theke – ein Jobwechsel. Ihre Lieblingsglace? Schoggi-Sorbet. Aber auch die milchbasierte Variante der Schokoladenglace hat es ihr angetan. «Die neue Milchschoko-Glace aus der Maschine musst du probieren!», sagt sie. Leider nein: Laktoseintoleranz. Ich glaube ihr aber aufs Wort, dass sie besser sei als jede industriell produzierte Sorte.
Nach dem Mittag trudeln mehr Leute ein: Familien, Kinder, Einzelpersonen. Ich bin immer froh, wenn sie Becher statt Cornets bestellen. Auch Vaschettas (Glaceboxen) werden gekauft. Sobald ich den Ablauf beim Verpacken einmal gecheckt habe, läuft es rund. Das Bedienen der Kasse ist einfach, und ich bin dankbar, dass sich heute keine riesigen Schlangen bilden. An Spitzentagen kann es hier auch mal 45 Minuten dauern, bis man sein Gelato in der Hand hat.
Um 15 Uhr ist meine Schicht zu Ende. Ich übergebe meinen Platz hinter der Theke an eine 22-jährige Sozialanthropologie-Studentin. Für sie ist es besonders, hier zu arbeiten, denn sie ist an der Länggasse aufgewachsen und kennt viele der Gesichter, die vorbeikommen.
Wie Glace hier gedacht wird
Nach der Schicht meldet sich der Hunger. Das verpasste Zmittag hinterlässt Spuren, nach ein paar Stunden hinter der Glacetheke mit tendenziell klebrigen Händen habe ich erst mal keine Lust mehr auf Eis. Stattdessen sehne ich mich nach etwas Salzigem.
Kurz unterhalte ich mich noch mit Hansmartin Amrein, einem der drei Brüder hinter der Gelateria di Berna. Er sagt: «Wir sind neugierig geblieben. Wir würden nie sagen, wir machen die beste Glace. Das wäre das Ende der Neugier.»
Ob Waldmeister, Orange-Koriander oder das berüchtigte Nutella-ähnliche Mare di Berna: Hier wird viel ausprobiert, aber wenig dem Zufall überlassen. Die Milch ist bio, das Obst ist oft von Hand gepflückt. Es geht nicht immer um Effizienz, sondern ums Erlebnis. Und den guten Vibe.
Mein Fazit
Glace verkaufen ist nicht einfach süsses Sommerfeeling oder ein easy Summerstudi-Job. Es ist anstrengend, herausfordernd, aber auch überraschend herzlich. Mein Favorit zum Scoopen? Ein leichtes Beerensorbet. Mein Endgegner? Nussglace, steinhart und widerspenstig. Trotzdem: Ich würde es wieder machen. Aber nächstes Mal mit etwas mehr Rückentraining im Voraus.