Unterwegs in Deutschland
Die schönsten Geheimtipps in Baden-Württemberg

Das deutsche Bundesland Baden-Württemberg liegt quasi direkt vor der Schweizer Haustür – und dennoch gibt es im «Ländle» noch viel Unbekanntes zu entdecken. Unsere Tipps für einen Besuch bei unseren Nachbarn.
Publiziert: 11:35 Uhr
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Das Hohenzollernschloss in Sigmaringen zählt zu den schönsten seiner Art in Deutschland.
Foto: Christian Bauer
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Christian BauerReise-Journalist

Rottweil – ein bisschen Schweiz in der Fremde

Die Statue eines Schweizer Gardisten am Stadtbrunnen, hie und da ein helvetisches Wappen und ein Lädeli mit eidgenössischen Spezialitäten: Die Schweiz ist in Rottweil überraschend greifbar. Denn anno dazumal zählte die Stadt am Neckar zu den «Ewigen Verbündeten» und zog gar mit den Helvetiern in so manche Schlacht. Wer heute durch die Gassen der mittelalterlichen Altstadt schlendert, die sich imposant auf einem Felssporn über dem jungen Neckar aufrichtet, spürt in der Architektur der Handelshäuser mit ihren Erkern und hohen Giebeln den Atem Schweizer Städtchen.

Geschichtsbegeisterte kommen in Rottweil zudem voll auf ihre Kosten. Die 25’000-Seelen-Stadt wurde im Jahr 73 als römische Garnison Arae Flavia gegründet und gilt als älteste Stadt im «Ländle» – ein Erbe, auf das man hier wie eh und je stolz verweist. Tipp: Im Dominikanermuseum warten die wertvollsten Schätze der Stadtgeschichte – ein Muss für Neugierige.

Die Römer hatten ihre Gründe: Der Platz am Neckar bot Sicherheit für eine wichtige Militärstrasse. Auch 2000 Jahre später profitiert Rottweil von seiner Lage zwischen Stuttgart und Zürich. Genau deshalb liess Thyssen-Krupp inmitten der schwäbischen Landschaft einen Testturm für Aufzüge errichten. 246 Meter bohrt sich der «TK Elevator Testturm» in den Himmel und eröffnet von seiner Aussichtsterrasse einen Blick, der vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau reicht – ein Stück Schweiz am Horizont.

Ein Blick nach vorn: 2028 verwandelt die Landesgartenschau die Umgebung der Altstadt in einen XXL-Garten – mit der längsten Hängebrücke Baden-Württembergs.

Sigmaringen – Märchenschloss über der Donau

Hollywood hätte es kaum kitschiger erträumen können: Das Hohenzollernschloss in Sigmaringen zählt zu den eindrücklichsten Schlossanlagen Baden-Württembergs – wenn nicht gar ganz Deutschlands. Der langgezogene Bau klammert sich an den Felsen oberhalb der jungen Donau, und mit seinen Türmchen, Giebeln und Erkern wirkt er wie die perfekte Kulisse für einen Märchenfilm.

Und wer weiss: Eine leibhaftige Prinzessin oder ein Prinz könnte tatsächlich um die Ecke biegen. Denn seit rund 1000 Jahren ist das Schloss in Privatbesitz, seit etwa 500 Jahren residiert hier ein Zweig der Hohenzoller. Zwar wurden Adelstitel längst abgeschafft, doch innerhalb der Mauern hält man an «Ihre Hoheit» fest.

Nebst prunkvollen Sälen und einer ausufernden Waffensammlung fasziniert besonders ein Kapitel der jüngeren Geschichte: 1944 liess Adolf Hitler das französische Vichy-Regime hier einquartieren, von wo aus es seine Geschäfte weiterführte – Sigmaringen wurde für ein paar Monate tatsächlich zur Hauptstadt Frankreichs. Die Einheimischen betonen das noch heute mit einem Augenzwinkern.

Tipp: Ein Abstecher in den Fürstlichen Park Inzigkofen lohnt sich. Im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt, schmiegt sich der Park ans Donautal und lädt zum Flanieren zwischen Natur und Geschichte ein.

Campus Galli – Leben wie im Mittelalter

Die Gegenwart wirkt oft wie ein Pulverfass: Klimawandel, KI-Revolution, Politiker am Rande des Wahnsinns. Umso wohltuender ist der Rückzug in eine andere Welt. Manche verlieren sich in Liebesromane, andere in endlosen Serien – und wieder andere tauchen ganz bewusst zurück in vergangene Jahrhunderte.

Besonders das Mittelalter entfaltet dabei eine besondere Anziehungskraft. Kopfüber ins Mittelalter eintauchen kann man im Campus Galli bei Messkirch, wo seit 2013 ein karolingisches Kloster nach dem St. Galler Klosterplan entsteht – gebaut mit den Werkzeugen und Methoden der damaligen Zeit: Wolle wird mit Pflanzenfarben gefärbt, Stroh mit der Sichel geschnitten, Balken mit der Axt behauen. Schon etliche Gebäude stehen, ebenso Werkstätten, in denen Handwerker in mittelalterlichen Gewändern klopfen, schnitzen, dengeln.

Und gäbe es auf dem «Marktplatz» nicht Apfelsaft aus PET-Flaschen, man könnte wirklich meinen, man sei im Zeitalter von Rittern, Gauklern und Co. gelandet. Das ist spassig und erholsam zugleich. Mein Tipp: Handy in der Tasche lassen und sich völlig auf das Erlebnis einlassen.

Übrigens: Helfende Hände werden immer gebraucht – auch ohne handwerkliches Geschick. Mindestaufenthalt: sechs Tage.

Die Donauversickerung – die unsichtbare Sehenswürdigkeit

Die Donauversickerung beim Dorf Immendingen ist vielleicht die einzige Sehenswürdigkeit der Welt, die besonders eindrücklich ist, wenn man nichts sieht. Denn etwa 25 Kilometer, nachdem die Donau in Donaueschingen entspringt, versickert der Fluss im karstigen Untergrund: In trockenen Perioden, wenn die junge Donau wenig Wasser führt, verschwindet der Fluss komplett und das Bett trocknet aus. Nur wenn die Donau genügend Wasser führt, schafft sie es über die porösen Stellen. Das versickerte Wasser tritt weiter südlich wieder ans Tageslicht und fliesst über den Rhein in die Nordsee – während der Rest in das Schwarze Meer strömt. Somit ist die Donau der einzige Fluss, der in zwei verschiedenen Meeren mündet. Zugegeben: Es klingt unspektakulär. Doch wann erlebt man schon, wie ein Strom einfach verschwindet, um anderswo neu geboren zu werden?

Tipp: Der Donauradweg zählt zu den beliebtesten Velostrecken Deutschlands. Wer Zeit hat, radelt in etwa zwei Wochen von der Quelle in Donaueschingen bis nach Passau – und kann, wenn die Beine noch wollen, bis Wien oder gar Budapest weiterfahren.

Mössingen – auf dem Streuobstwegle

Es duftet süss nach Äpfeln, Birnen, Mirabellen. Bienen summen, Schmetterlinge flattern wie kleine Farbkleckse durch die Luft. Streuobstwiesen sind mehr als nur Lebensräume für Insekten und Vögel – sie sind Glücksorte für Menschen und Oasen für gestresste Stadtbewohner.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägten Streuobstwiesen viele Landschaften Europas: bunte Flächen, in denen Bauern verschiedenste Obstsorten zogen – zur Selbstversorgung und als kleines Zubrot. Am Fusse der Schwäbischen Alb, wo die Sonne reichlich scheint, entstand seit dem Mittelalter die grösste zusammenhängende Streuobstlandschaft Deutschlands. Doch der industrielle Obstanbau verdrängte die Vielfalt – bis eine wachsende Sehnsucht nach Tradition und Nachhaltigkeit das alte Wissen zurückholte. Heute stehen allein rund um Mössingen wieder 40’000 Obstbäume, und mit ihnen kehrt auch ein Stück Kulturlandschaft zurück.

Der Themenweg «Mössinger Streuobstwegle» schlängelt sich durch die Wiesen, vorbei an knorrigen Apfelbäumen und duftenden Blüten, gesäumt von Infotafeln, die Wissenswertes zu diesen besonderen Biotopen vermitteln. Zudem bietet im Pausa-Quartier, einem alten Industrieareal, das Streuobst-Infozentrum die Möglichkeit, die Welt der Äpfel, Kirschen und Mirabellen spielerisch zu entdecken – besonders für Kinder ein Erlebnis.

Tipp: Wer genug geschlendert ist, findet im Pausa Café den passenden Ausklang. In einer ehemaligen Industriehalle gibt es leckere Kuchen, gebacken mit Obst aus der Region.

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