Caritas-Bergeinsatz vermittelt Freiwillige für Bergbauern in Not
«Jeder, der zu uns kam, war uns eine grosse Hilfe»

Das Leben als Bergbauern-Familie ist hart. Fällt ein Partner aus, sind die Arbeiten kaum zu schaffen. Caritas-Bergeinsatz vermittelt Freiwillige für Bauern in Notsituationen. BLICK-Redaktor Christian Bauer hat den Versuch gewagt – und seinem Namen alle Ehre gemacht.
Publiziert: 07.10.2019 um 12:54 Uhr
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Von wegen nur Tiere streicheln und Bergkulisse geniessen: Auf dem Bauernhof gibt es pausenlos etwas zu tun.
Foto: zvg
Christian Bauer

Es ist eine Bilderbuch-Schweiz, hier auf 1000 Metern oberhalb des Muotatals. Der Blick reicht bis zum Skigebiet Stoos und hinüber zu den Glarner Alpen, die Sonne scheint, Kuhglockengebimmel wellt durchs Tal – eine Region für entspannte Ferien.

Doch ich bin nicht zum Faulenzen gekommen, sondern zum Anpacken. Denn Alice (41) und Wendelin Gwerder (44) können auf ihrem Bergbauernhof gerade jede Hilfe gebrauchen – auch die eines Journalisten, der tagelang nichts bewegt ausser den Fingern auf der Tastatur.

Vor sechs Monaten hat sich die 41-Jährige beim Skifahren unverschuldet das linke Knie zertrümmert. Eine Katastrophe: Wer soll jetzt helfen, die 60 Rinder zu versorgen, die Eier auszuliefern, die Kinder zur Schule zu bringen und den Haushalt zu schmeissen? In ihrem Zweimannbetrieb zählt jede Hand.

Hilfe von Caritas-Bergeinsatz

Hilfe bekam das Paar mit seinen vier Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren von Caritas-Bergeinsatz. Das katholische Hilfswerk unterstützt seit nunmehr 40 Jahren Bergbauernfamilien in Notsituationen durch die Vermittlung von Freiwilligen.

Die Zahlen sind eindrücklich: Im letzten Jahr packten in den Schweizer Bergen 852 Freiwillige für eine oder mehr Wochen bei insgesamt 123 Bauernfamilien mit an. Insgesamt wurden so 1142 Wochen freiwilliger Arbeit geleistet – und das nur für Kost und Logis in den eigenen Ferien.

«Wir sind sehr dankbar»

Auch bei den Gwerders meldeten sich in den letzten Monaten mehrere Freiwillige. «Wir sind sehr dankbar», so Wendelin. «Jeder, der zu uns kam, war uns eine grosse Hilfe.» Und das, obwohl ein Grossteil der Freiwilligen kaum Erfahrung in der Landwirtschaft hatte, sondern auf der Suche nach einem Ausgleich zum Bürojob und Manager-Dasein war. Ein wachsender Trend, bei dem man Zeit in der Natur mit sozialem Engagement verbinden kann – ein Zuckerschlecken ist der Aufenthalt allerdings nicht.

«Kannst du mit einem Fadenschneider umgehen?», fragt Wendelin am ersten Morgen meines Einsatzes, schnallt mir den Benzinmotor auf den Rücken und stapft eine Wiese hoch, die sich 60 Grad in die Höhe neigt. Alleine das ist anstrengend.

Nach etwa einer halben Stunde Mähen brennt mein linker Unterarm, bald rebellieren die Sehnen an den Unterschenkeln: Das Stehen im steilen Gelände ist trotz Steigeisen eine Hochleistung für die untrainierten Muskeln. «Du kannst jederzeit eine Pause machen», sagt Alice, die nach besten Kräften mithilft (das Knie ist nach einem halben Jahr immer noch nicht voll belastbar).

Zwar geht es beim Bergeinsatz um Mithilfe, die Aufgaben richten sich aber nach dem Können und der Fitness der Helfer. Für mich bedeutet das: eine halbe Stunde mähen, dann Arm und Beine lockern. «Unsere Helfer habe ich immer auch zu einem Ausflug ins Muotatal geschickt», so Alice. «Schliesslich sind das ja auch deren Ferien.»

Anstrengend – aber schön

Insgesamt sind wir sechs Stunden dran, bis die halbe Hektare im steilen Gelände gemäht und das Heu in das Silo verfrachtet ist. Sechs Stunden Plackerei für etwas Rinderfutter – das nötigt mir grossen Respekt ab für die Arbeit der Bergbauern. Und stolz bin ich natürlich auch: Immerhin ein paar Kilo Heu habe auch ich beigetragen.

Der Arbeitstag ist allerdings noch nicht vorbei. Nach dem Mähen gehts noch zum Eierputzen (Gwerders haben 400 Hühner) und zum Kälbertränken. Um 19 Uhr ist für heute Schluss – und das, obwohl der Sommer die «gemütlichere» Jahreszeit auf dem Hof ist.

Derzeit sind nämlich die etwa 60 Rinder noch auf der Alp, somit entfällt das Misten und Füttern der Tiere, die Alice und Wendelin für einen Milchbauern aufziehen. Nebst der Rinderzucht vertreiben die beiden unermüdlichen Arbeiter zudem Freilandeier, selbst gemachte Meringue, Teigwaren und Salatsauce – bei vier Kindern zählt jeder Rappen. Nach einer Runde «Siedler von Catan» mit der ganzen Familie falle ich am ersten Abend erschöpft ins Bett.

Alle helfen mit

Der nächste Tag ist zum Glück etwas entspannter: nach Eiereinsammeln und -polieren und Stallvorbereiten für die Rinder gehts daran, einen Elektrozaun für die Geissen zu spannen.

Es ist Mittwochnachmittag, die vier Kinder haben schulfrei. Alle kommen zusammen und helfen mit, auch der Hofhund schaut vorbei. Man könnte einen Heimatfilm drehen, so idyllisch ist das.

Nach getaner Arbeit gibts unter einem grossen Nussbaum Znacht: Käse, Wurst, Brot. Der Hund liegt unterm Tisch, die Katzen schleichen einem um die Beine. Meine Muskeln brennen, aber ich fühle mich quicklebendig: Ich habe etwas Handfestes gearbeitet, habe mich mit dem Land verbunden und dazu noch lieben Menschen geholfen. Das hat etwas zutiefst Befriedigendes.

Wollen auch sie helfen?

So können Sie bei Caritas-Bergeinsatz dabei sein: Für einen freiwilligen Einsatz muss man zwischen 18 und 70 Jahre alt und wegen des Arbeitsrechts CH- oder EU/Efta-Bürger sein. Zudem sollte man körperlich und psychisch fit genug sein, um die anfallenden Arbeiten erledigen zu können. Allerdings wird auf die persönliche Fitness und Vorlieben Rücksicht genommen. Die Mindestdauer des Arbeitseinsatzes beträgt fünf Tage. Kost und Unterkunft sind frei. Auf der Homepage von Caritas-Bergeinsatz sind die hilfesuchenden Betriebe aufgeführt, über ein Formular kann man sich online anmelden. Nach der Bestätigung werden die Details mit der Bauernfamilie telefonisch besprochen. Weitere Informationen finden Sie unter bergeinsatz.ch

So können Sie bei Caritas-Bergeinsatz dabei sein: Für einen freiwilligen Einsatz muss man zwischen 18 und 70 Jahre alt und wegen des Arbeitsrechts CH- oder EU/Efta-Bürger sein. Zudem sollte man körperlich und psychisch fit genug sein, um die anfallenden Arbeiten erledigen zu können. Allerdings wird auf die persönliche Fitness und Vorlieben Rücksicht genommen. Die Mindestdauer des Arbeitseinsatzes beträgt fünf Tage. Kost und Unterkunft sind frei. Auf der Homepage von Caritas-Bergeinsatz sind die hilfesuchenden Betriebe aufgeführt, über ein Formular kann man sich online anmelden. Nach der Bestätigung werden die Details mit der Bauernfamilie telefonisch besprochen. Weitere Informationen finden Sie unter bergeinsatz.ch

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