Darum gehts
- Kalabrien bietet malerische Küstenorte und charmante Bergdörfer mit reicher Geschichte
- Tropea und Scilla locken mit atemberaubenden Klippen und mythologischen Verbindungen
- Gerace, eines von 373 schönsten Dörfern Italiens, bewahrt den griechisch-kalabrischen Dialekt
Pizzo – die süsse Verführung
Erste Station einer Rundreise durch Kalabrien sollte Pizzo sein, das praktischerweise nur 20 Minuten vom Flughafen entfernt liegt. Wie viele Orte an der Nordküste thront auch Pizzo hoch auf den Klippen über dem Tyrrhenischen Meer. Verwinkelte Gässchen, lauschige Plätze, eine Burg mit einer interessanten kleinen Ausstellung und Hausfassaden, die romantisch vor sich hin bröckeln – alles, wie man es sich wünscht.
Pizzo ist vielleicht nicht das schönste Örtchen weit und breit, aber ein Besuch ist dennoch ein Muss. Denn hier wurde eine der süssesten Verführungen Kalabriens erfunden, die man – meiner Meinung nach – mindestens einmal am Tag essen sollte: das Tartufo-Glace, eine mit flüssiger Schokolade gefüllte Nuss- und Schokoladeneiskugel, die mit Kakaopulver bestäubt ist und wie ein Trüffel aussieht – daher der Name Tartufo. Am Hauptplatz befinden sich die zwei Gelaterias Dante und Ercole, die beide von den Nachfahren des Erfinders geführt werden – hier schmeckt es natürlich top. Mein Favorit allerdings ist das Café Corallini an der kleinen Hafenpromenade am Fusse des Felsens, wo man so schön dem rauschenden Meer lauschen kann.
Tropea – die Perle Kalabriens
An der tyrrhenischen Küste im Norden Kalabriens liegt Tropea, eine der malerischsten Städte Süditaliens. Über den steilen Klippen ragt die Altstadt mit barocken Palästen, verwinkelten Gassen und kleinen Piazze auf. Hier kann man herrlich bummeln und die Zeit in Cafés verbringen. Das Highlight ist die Kirche Santa Maria dell’Isola auf einem Felsen gegenüber der Altstadt; sie ist auch von einem schönen Park umgeben (super Fotospot). Tropea ist berühmt für die süssen roten Zwiebeln, die sogar zu Marmelade verarbeitet werden und auch Schokolade einen besonderen Geschmackstwist verleihen.
Scilla – wo das Monster wohnt
An der nördlichen Spitze der Strasse von Messina liegt das malerische Fischerdorf Scilla, das ein schreckliches Geheimnis hütet: Hier soll die Meeresnymphe Skylla ihr Unwesen getrieben haben – so die griechische Mythologie. Heute bezaubert Scilla mit dem Fischereiviertel Chianalea, dessen alte Steinhäuser direkt ins Meer gebaut sind. Tolle Ferienwohnungen! Kleine Fischerboote dümpeln im Wasser, und die schmalen Gassen sind gesäumt von traditionellen Restaurants, die frischen Schwertfisch servieren – eine lokale Spezialität. Über allem erhebt sich die imposante Festung Castello Ruffo, von der man einen herrlichen Blick auf die Küste und das nahe gelegene Sizilien geniesst.
Gerace – ein mittelalterliches Juwel
Gerace ist mein Lieblingsort in Kalabrien, in dem ich viel länger blieb als geplant. Die Gassen sind verwinkelt, die Strassen holprig und die Hausfassaden verwittert. Das ist so schön, dass man Gerace bei der Unesco als Welterbe angemeldet hat. Dazu kommen historische Schatzkästchen: romanische Kirchen und ein normannisches Kastell, das über dem Dorf aufragt.
Und so verbringe ich den Tag: Zum Frühstück gehe ich in die Bar Cattedrale, wo es einen Cappuccino und ein Mandelhörnchen gibt – die Spezialität des Hauses. Ich schlendere durchs Örtchen, vorbei am Schneider, der in einem chaotischen Laden voller Knöpfe, Reissverschlüsse und Häkeldeckchen hinter seiner Nähmaschine auf Kundschaft wartet, vorbei am Gemüsehändler, vor dessen Tür sich frische Artischocken stapeln, bis zum Metzger, bei dem ich die kalabrische Spezialität ’Nduja kaufe, eine scharfe Salami, die besonders gut auf gerösteter Ciabatta und in der Sosse für die Fileja schmeckt – den länglichen, gedrehten Nudeln der Region. Jeden Nachmittag gehe ich in die Bar del Tocco zu einem Espresso und einem Gelato. Die «Piccolo»-Portion ist keineswegs klein, sondern kommt mit riesiger Waffel und einem halben Cornetto daher – eine wahre Geschmacksexplosion voller süditalienischer Lebensfreude. Einfach perfekt!
Badolato – eine Wiedergeburt
Wer die Schönheit Kalabriens sucht, ist gut beraten, in das bergige Hinterland zu fahren. Mit wenigen Ausnahmen fehlt es den Küstenstädten an Charme. Billig und ohne staatliche Aufsicht wurden nach dem Zweiten Weltkrieg hässliche Trabantenstädte hochgezogen. Dennoch war das Leben in den moderneren Häusern bequemer als in den historischen Gebäuden der mittelalterlichen Dörfer. Die Folge: Die Menschen zogen aus ihren angestammten Orten in die seelenlosen Neubauten. Der Prozess ist auch heute noch zu sehen; viele Dörfer im Hinterland stehen weitgehend leer. Aber es tut sich etwas: Mit dem Erstarken des Tourismus werden die Bergdörfer wiederbelebt – es entstehen Unterkünfte, neue Geschäfte, Bars und Restaurants. Ein solches Beispiel ist der Ort Badolato im Südwesten, der auf einem kleinen Bergrücken balanciert. Sehr schön ist der kleine Spaziergang zu dem ehemaligen Kloster Convento Santa Maria degli Angeli, das restauriert wurde.
Bova – eines der schönsten Dörfer Italiens
Bova ganz im Süden Kalabriens ist eine verbriefte Schönheit. Denn der Ort zählt zu den «I borghi più belli d’Italia», den schönsten Dörfern Italiens, von denen es nur 373 gibt. Verschachtelte Häuser, verwirrende Gassen und Plätze sowie der typische Charme malerischer Patina – ein Postkartenmotiv. Dazu kommt eine Natur und Landschaft, die zu den schönsten Süditaliens zählt: Bova liegt im Nationalpark Aspromonte, der so wild und unerschlossen ist, dass sich hier einst die Mafia vor der Polizei versteckte.
Bova und die umliegenden Örtchen sind auch historisch von Bedeutung, denn hier sprechen die Bewohnerinnen und Bewohner noch einen Dialekt, der an Altgriechisch erinnert. Lang ist es her, dass die griechischen Stadtstaaten Kolonien rund ums Mittelmeer gründeten – auch im südlichen Italien. Diese Gründungen wurden im Laufe der Geschichte vom Römischen Reich einverleibt, sodass die griechische Kultur vielerorts verschwand. Doch einige Orte im Aspromonte-Nationalpark haben zumindest sprachlich ihre Wurzeln behalten. Ein sehenswertes Museum gibt Einblicke in die griechisch-kalabrische Sprache.