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Expertin erklärt
Was sexuelle Fantasien über uns aussagen – oder eben nicht

Fantasien befeuern unsere Lust – und können zugleich belasten. Sexologin Simone Dudle erklärt, warum Menschen sich Dinge vorstellen, die sie real nicht wollen. Und wie sich solche Bilder verändern lassen.
Publiziert: 14:47 Uhr
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Aktualisiert: vor 42 Minuten
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Fantasien sind neben Berührungen ein zentraler Motor für sexuelle Erregung – und zugleich ein Weg, die eigene Sexualität zu erkunden. Oft unterscheiden sie sich jedoch stark von dem, was sich jemand im echten Leben wünscht. Sexologin Simone Dudle unterstützt Menschen dabei, solche inneren Bilder zu verstehen, aber auch sie zu verändern, wenn sie belastend werden. 

Blick: Über welche Art von Fantasien sprechen Ihre Klientinnen und Klienten mit Ihnen?
Simone Dudle: Das können Fantasien sein, die als unangenehm empfunden werden. Dinge, bei denen manche das Gefühl haben, sie dürften so etwas gar nicht denken.

Zum Beispiel?
Manche Menschen berichten von Fantasien, die mit Gewalt oder Dominanz zu tun haben. Dabei können die Inhalte sehr unterschiedlich sein – von Szenarien, in denen jemand die Kontrolle verliert, bis hin zu Vorstellungen, in denen man selbst Macht und auch Gewalt ausübt. Im Alltag gehen viele dieser Menschen sehr respektvoll und achtsam mit anderen um. Gerade wenn Fantasien nicht mit den eigenen Normen oder Werten vereinbar erscheinen, können sie als sehr belastend erlebt werden.

Manche Menschen setzen sich gemäss Expertin unter Druck, weil ihnen ihre Fantasien nicht «wild genug» erscheinen. Dabei gebe es sexuelle Fantasien in ganz unterschiedlichen Formen.
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Wie häufig kommt das vor?
Mindestens so oft wie die umgekehrte Sorge: Dass Menschen sich als zu brav einstufen, weil sie glauben, keine sexuellen Fantasien zu haben. Doch auch jemanden im Bus anzusehen und als attraktiv einzustufen, kann eine sexuelle Fantasie sein. Genauso wie die Vorstellung, mit jemandem gemeinsam Hand in Hand durch den Sand zu gehen. Tendenziell haben Frauen einen indirekteren Zugang zu ihrer Sexualität, während bei Fantasien von Männern eher die konkrete Darstellung von Sex im Vordergrund steht.

Beraterin für Lust und Sexualität

Simone Dudle (52) hat einen Master in Sexologie und führt seit rund zehn Jahren in St. Gallen eine Praxis für Sexualberatung und -therapie. Die ausgebildete Primarlehrerin leitet den Studiengang für Sexualpädagogik am Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapie Zürich (ISP). An Schulen und in Institutionen spricht sie über offene Fragen und verbreitetes Halbwissen rund um Sexualität. Dudle ist verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder.

zVg

Simone Dudle (52) hat einen Master in Sexologie und führt seit rund zehn Jahren in St. Gallen eine Praxis für Sexualberatung und -therapie. Die ausgebildete Primarlehrerin leitet den Studiengang für Sexualpädagogik am Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapie Zürich (ISP). An Schulen und in Institutionen spricht sie über offene Fragen und verbreitetes Halbwissen rund um Sexualität. Dudle ist verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder.

In der Psychologie wird zwischen Fantasien und Wünschen unterschieden. Können Sie das ausführen?
Eine Fantasie hat keinen Anspruch auf Umsetzung. Das ist das Schöne an ihr. In der Beratung wird gemeinsam erarbeitet, ob eine belastende Fantasie auf einen Wunsch hinweist. Ein Wunsch ist etwas, was man tatsächlich realisieren möchte. Wer erkennt, dass ihn eine Fantasie, umgesetzt im echten Leben, nicht erregen würde, kann sie oft besser akzeptieren.

Und wenn doch ein Wunsch hinter einer Gewaltfantasie steckt?
In diesen Fällen ist eine intensivere therapeutische Unterstützung notwendig. Denn in die Realität umgesetzt, können gewisse Fantasien zur Straftat werden.

Sie sprechen von sexuellen Fantasien als Schatzkiste. Warum?
Weil sie Hinweise auf persönliche Sehnsüchte geben können. So kann sich hinter einer Vergewaltigungsfantasie möglicherweise die Sehnsucht verbergen, ganz und gar begehrt zu werden.

Wie helfen Sie Menschen, die in ihren Fantasien selbst gewalttätig sind und darunter leiden?
Menschen können lernen, ihre eigenen Fantasien besser zu verstehen und einzuordnen. Sexuelle Fantasien sind nicht nur abstrakte Gedanken, sondern spiegeln körperliche Empfindungen, Bedürfnisse und Spannungen. So gesehen können aggressive Fantasien damit zusammenhängen, dass jemand gelernt hat, Erregung über starke körperliche Anspannung zu erzeugen.

Wie kann man sich das vorstellen?
Sexualität ist erlernt. Manche Menschen nutzen zum Beispiel viel Körperspannung, um zum Orgasmus zu gelangen. Diese Spannung kann sich auf die Fantasien auswirken und übertragen. Fantasien werden dann nicht selten gewaltvoller und aggressiver.

Wenn der Körper bei sexueller Erregung angespannt ist, kann das harte Sexfantasien begünstigen.
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Was können Betroffene tun?
Sie können in einer Sexualberatung lernen, Erregung auch in entspannterem Zustand zu geniessen und zu gestalten. Menschen, die das können, haben tendenziell auch weichere Fantasien.

Sind Menschen mit Gewaltfantasien nicht schlicht aggressiver?
Nicht unbedingt. Viele Menschen sind im Alltag besonnen und kennen Entspannung. Sie haben jedoch in der Sexualität gelernt, hohe Körperspannung in der Erregung zu nutzen, was Auswirkungen auf die Fantasie haben kann. Diesen Zusammenhang zu verstehen, kann sehr erleichternd sein.

Anmerkung der Redaktion: Die Expertin sprach im Gespräch nicht von «Männern» und «Frauen», sondern wählte die genderneutralen Begriffe «Personen mit Penis» und «Personen mit Vulvina». Vulvina ist eine Wortschöpfung aus Vulva (äusseres weibliches Geschlechtsorgan) und Vagina (inneres weibliches Geschlechtsorgan). Der Verständlichkeit halber wurde das im verschriftlichten Interview in Absprache mit der Expertin vereinfacht. 

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