Experte warnt vor Mobbing
Patchworkfamilien: Diese sechs Fehler solltest du vermeiden

Patchworkfamilien können bunt und bereichernd sein – aber nur, wenn sie achtsam wachsen dürfen. Wer zu schnell zu viel will, riskiert unnötige Verletzungen und in der Folge Ausgrenzung und Streit. Sechs typische Fehler gilt es zu vermeiden.
Publiziert: 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 12:19 Uhr
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Foto: Westend61

Darum gehts

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Sylvie KempaRedaktorin Service

Wenn getrennte Eltern sich neu verlieben, entsteht eine Patchworkfamilie – ein Flickenwerk, das sich im besten Fall wie ein harmonischer Quilt zusammenfügt. Doch dieser Idealfall tritt nicht von selbst ein. Unsicherheit, Eifersucht oder Überforderung kommen selbst in stabilen Konstellationen vor.

So entsteht Mobbing im Patchworksystem

Daraus entstehende Spannungen führen nicht selten zu langjährigen Konflikten, erklärt Familientherapeut Felix Hof (67): «Das kann subtil beginnen – mit Sticheleien oder dem Weglassen von Informationen. Über längere Zeit baut sich Druck auf, der in Drohungen oder sozialer Ausgrenzung mündet. Im Kern geht es immer darum, jemanden aus dem Gefüge zu drängen oder mundtot zu machen.»

Der Zürcher Psychotherapeut begleitet Familien und getrennte Paare durch herausfordernde Zeiten.
Foto: zVg

Die Problematik erinnert an Mobbing und zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: Kinder grenzen neue Partner aus, Grosseltern fühlen sich verdrängt, Ex-Partner diskreditieren einander. Der Ursprung liegt oft auf Elternebene. «War die Trennung konfliktbeladen, geraten Beteiligte in eine schwierige Position. Häufig versucht sich die neue Familie dann von der Vergangenheit abzugrenzen – mit unterschwelligen Feindseligkeiten, emotionaler Ausgrenzung oder bewusstem Ausschluss aus der Kommunikation. Das belastet das ganze System.»

Sechs häufige Fehler führen zu Problemen

Vermeiden lässt sich die Dynamik durch einen achtsamen Umgang mit den Bedürfnissen aller Beteiligten:

Nichts überstürzen

«Wer eine Trennung erlebt, sollte sich und den Kindern genügend Zeit geben, den Verlust zu verarbeiten. Ein schneller Wechsel in eine neue Partnerschaft mit gemeinsamem Alltag mag verlockend sein, kann aber alle Beteiligten überfordern – besonders die Kinder. Ein Abstand von mindestens einem Jahr, bevor ein Zusammenleben in Betracht gezogen wird, schafft Raum, die Trennung würdevoll und respektvoll zu regeln. Das ist ein entscheidender Faktor für einen gelungenen Neuanfang.»

Die neue Beziehung nicht zu schnell einführen

«Kinder müssen nicht jede neue Bekanntschaft kennenlernen. Wer ständig wechselnde Partnerinnen oder Partner in den Familienalltag bringt, verunsichert die Kinder – und verletzt ihr Vertrauen. Ein achtjähriger Junge sagte einmal: ‹Ich weiss am Morgen nie, wer aus dem Schlafzimmer kommt.› Solche Situationen sind untragbar. Neue Beziehungen sollte man ausserhalb des Wohnraums vorstellen – etwa auf einem Ausflug. Der Rahmen sollte unverbindlich und offen sein. ‹Das ist ein wichtiger Mensch in meinem Leben› reicht als Erklärung völlig.»

Nähe nicht erzwingen

«Natürlich wünscht man sich, dass die eigenen Kinder den neuen Partner oder die neue Partnerin mögen. Höflichkeit und ein respektvoller Umgang dürfen erwartet werden – Nähe aber nicht, weder emotional noch körperlich. Kinder sollen selbst entscheiden dürfen, ob sie jemanden umarmen möchten. Wer das erzwingt, wirkt übergriffig – und riskiert, dass sich Kinder innerlich zurückziehen oder in den Widerstand gehen.»

Konflikte in Patchworkfamilien gehen immer zulasten des Kindswohls.
Foto: imago images/Panthermedia

Den anderen Elternteil miteinbeziehen

«Wenn eine neue, stabile Beziehung entsteht, sollte der andere Elternteil frühzeitig informiert werden – bevor die Kinder davon erzählen. Alles andere kann verletzen und Kinder zusätzlich belasten. Selbst bei angespanntem Kontakt ist es sinnvoll, auf Elternebene über das Wohl und den Alltag der Kinder im Austausch zu bleiben. Ist das nicht möglich, brauchts rasch fachliche Hilfe – damit Kinder nicht unnötig leiden oder Rollen übernehmen, die sie überfordern.»

Das neue Glück nicht abschotten

«Trennungen müssen nicht im Krieg enden. Auch wenn eine Beziehung vorbei ist, lohnt es sich, mit Respekt auf das Gemeinsame zurückzublicken. Das hilft auch, neue Beziehungen auf gesunde Weise anzugehen. Wer in eine bestehende Familie eintritt, sollte sich bewusst sein: Solange Kinder involviert sind, bleibt der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin Teil des Familiensystems. Ein konstruktiver Umgang mit dieser Realität ist reifer – und für das Kind langfristig gesünder – als der Versuch, das neue Glück abzuschotten und die Vergangenheit auszusperren.»

Nicht lügen und werten

«Kinder sollten nie das Gefühl haben, zwischen Mutter und Vater Partei ergreifen zu müssen. Abwertende Sätze wie ‹Er hat uns im Stich gelassen› oder ‹Sie war nie für dich da› bringen sie in Loyalitätskonflikte. Lügen muss man nicht: Über eigene Verletzungen zu sprechen, ist erlaubt, Anschuldigungen nicht. Kinder haben feine Antennen für Spannungen. Sie brauchen Klarheit und Sicherheit. Wer ihnen zuhört, sie altersgerecht einbezieht und offen auf ihre Fragen reagiert, stärkt nicht nur die Beziehung zu ihnen, sondern auch ihr Vertrauen in neue Bezugspersonen.» 

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