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Die Cherophobie-Falle
«Dankbarkeit ist das Tor zum Glück»

Kennst du das? Du bist richtig glücklich, aber eine diffuse Angst, es könnte bald etwas Schlimmes passieren, hindert dich daran, die Freude zu geniessen. Das Phänomen heisst Cherophobie. Psychologin Nanni Glück (sie heisst wirklich so) erklärt, wie du es loswirst.
Publiziert: 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 18:35 Uhr

Darum gehts

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Lily wächst in behüteten Verhältnissen auf und erlebt eine glückliche Kindheit. Auch während eines Wochenendes bei den Grosseltern scheint die Welt in Ordnung. Bis ihre Mutter auf der Heimfahrt plötzlich eröffnet, dass sie sich vom Vater scheiden lassen wird. 

Diese Erfahrung war für eine Klientin von Nanni Glück (52) prägend, wie die deutsche Psychologin und Glücksspezialistin im Gespräch mit Blick erzählt. Nanni Glück heisst wirklich so – und hat in ihrem Nachnamen ihre Berufung gefunden. 

Glück im Glück

Nanni Glück (52) ist Psychologin und arbeitet in Stuttgart (D). Sie bietet Workshops, Coachings und Vorträge zu Themen wie Achtsamkeit, Resilienz und Humor an. In ihren Veröffentlichungen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich psychologische Erkenntnisse in den Alltag übertragen lassen. Ihr Ansatz verbindet Elemente der Positiven Psychologie mit praktischen Übungen.

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Nanni Glück (52) ist Psychologin und arbeitet in Stuttgart (D). Sie bietet Workshops, Coachings und Vorträge zu Themen wie Achtsamkeit, Resilienz und Humor an. In ihren Veröffentlichungen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich psychologische Erkenntnisse in den Alltag übertragen lassen. Ihr Ansatz verbindet Elemente der Positiven Psychologie mit praktischen Übungen.

Sie schildert die Geschichte, um zu zeigen, wie etwas Seltsames entstehen kann: die Angst vor Glück. Für ihre Klientin war es traumatisch, so plötzlich aus einer gefühlt perfekten Welt gerissen zu werden.

«Seither hatte sie oft diffuse Ängste davor, dass etwas Schlimmes passieren könnte.» Vor allem, wenn sie Auto fuhr. «Meine Klientin tat es nur, wenn es unbedingt sein musste.» 

Wenn alles super ist und dann ganz plötzlich nicht mehr. Kindheitstraumata können Cherophobie begünstigen.
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Solche Kindheitstraumata können laut Expertin dazu führen, dass Betroffene Angst davor entwickeln, sich auf Glück einzulassen, weil sie dahinter Schmerz oder Enttäuschung vermuten. In solchen Fällen spreche man von Cherophobie. Der Begriff setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern für «Freude» und «Angst». 

Es handelt sich um keine offiziell anerkannte psychische Störung. Und doch lohne es sich, darüber nachzudenken, sagt die Expertin. «In abgeschwächter Form kommt Cherophobie bei vielen von uns vor.»

Wie oft unterdrücken wir unsere Vorfreude oder dämpfen bewusst unsere Erwartungen, aus Angst, am Ende enttäuscht zu werden? Nach dem Motto: «Ich erwarte lieber mal nicht allzu viel, dann kann ich nur positiv überrascht werden.»

Sich auf etwas zu freuen, macht auch Sinn, wenn man schlussendlich enttäuscht wird. Vorfreude ist schliesslich die schönste Freude.
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Das Einzige, sagt Glück, was man mit dieser Strategie erreiche: «dass ich im Hier und Jetzt schon leide – und nicht erst, wenn etwas schiefgeht.» Wenn man sich Vorfreude jedoch erlaube, habe man schon mal ein gutes Gefühl auf sicher. «Egal, was danach passiert.»

Der britische Psychologe Paul Gilbert (73) entwickelte 2012 ein standardisiertes Verfahren, das misst, in welchem Ausmass Menschen positiven Gefühlen misstrauen oder sie meiden. Je höher der Wert, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass depressive Symptome vorliegen. Glücksangst kann die Lebenszufriedenheit also deutlich mindern.

Wer sich nicht freuen kann, hat oft depressive Züge. Und umgekehrt.
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Wenn das Vermeiden von Freude dazu dient, das Wiederaufbrechen alter Verletzungen oder Traumata zu verhindern, empfiehlt die Expertin, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Handle es sich hingegen um leichtere Verstimmungen, könne ein bewussteres Erleben des Alltags bereits viel bewirken. 

Glück empfiehlt: Das, was man tut, auch wirklich tun! Das heisse, gedanklich präsent zu sein und nicht schon an dem herumzustudieren, was man als Nächstes machen möchte – oder bei ganz etwas anderem zu sein. Bewusstes Atmen sei eine Möglichkeit, das zu erreichen. «Unser Körper ist ein guter Anker. Er ist immer im Hier und Jetzt.»

In einem nächsten Schritt gelte es, in ruhigen Momenten die Aufmerksamkeit auf das zu richten, was stärkt. Sich Fragen zu stellen wie beispielsweise: Was gibt es für glückliche Umstände in meinem Leben? Dankbarkeit sei eine kraftvolle Emotion. «Eine, die das Tor zu Gefühlen wie Freude oder eben Glück wieder öffnen kann.»

Schmerz und Leid würden nun einmal zum Leben dazugehören, fügt sie an. Gerade weil das Leben unvorhersehbar sei, lohne es sich nicht, Glück vorsorglich zu meiden. «Wir wissen ja alle nicht, was übermorgen passiert – es braucht keinen Meteoriteneinschlag. Es reicht schon, wenn einer wie Trump einen Knopf drückt.»

Tipps ersetzen keine professionelle Hilfe
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Allgemeine psychologische Tipps und Ratschläge sind hilfreich, ersetzten in Notsituationen aber keine persönliche psychologische Betreuung. Wenn es dir seelisch nicht gut geht, dann wende dich an eine Therapeutin oder einen Therapeuten respektive an eine therapeutische Einrichtung.

Oder an die Anlaufstelle Die Dargebotene Hand. (Anonyme Beratung unter Einhaltung der Schweigepflicht. Telefon 143 und online www.143.ch.)

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Allgemeine psychologische Tipps und Ratschläge sind hilfreich, ersetzten in Notsituationen aber keine persönliche psychologische Betreuung. Wenn es dir seelisch nicht gut geht, dann wende dich an eine Therapeutin oder einen Therapeuten respektive an eine therapeutische Einrichtung.

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