Darum gehts
Dass es ohne Alkohol nicht mehr geht, spüren viele Abhängige schon lange. Doch die Fassade aufrechtzuerhalten – vor sich selbst und vor anderen –, gelingt oft jahrelang. Alkoholkonsum ist in der Gesellschaft etabliert. Man prostet sich an Partys zu, trifft sich zum Feierabendbier, bringt eine Flasche Wein als Gastgeschenk mit – und ein täglicher Schluck Rotwein gilt in vielen Köpfen noch immer als gesund. Es fällt eher auf, wenn jemand nicht trinkt, als wenn das Trinken aus dem Ruder läuft.
Mit der Neuformulierung der Empfehlungen zum Alkoholkonsum macht die Suchthilfeorganisation Blaues Kreuz klar: Es gibt keine gesunde Menge Alkohol. Davon ausgenommen ist auch das tägliche Glas Rotwein nicht – obwohl dieses lange Zeit sogar in der Medizin als «gesund» bezeichnet wurde.
«Die Überarbeitung unserer Empfehlungen richtet sich nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft», erklärt Marc Peterhans vom Blauen Kreuz. Und diese widerlegen den guten Ruf von Rotwein, selbst in moderaten Mengen. «Zwar enthält Rotwein Substanzen wie Resveratrol, die an sich die Blutgefässe – also auch das Herz – schützen. Diese positiven Effekte werden jedoch von den negativen, insbesondere dem erhöhten Krebsrisiko, deutlich aufgewogen. Deshalb gilt: Das gesunde Glas Rotwein gibt es nicht.»
Die Empfehlungen enthalten fünf weitere Punkte darüber, wie Alkohol möglichst wenig Schaden anrichtet, wenn er dennoch konsumiert wird:
- Weniger Alkohol trinken ist besser.
- Es gibt Arten, Alkohol zu trinken, die besser sind als andere (langsam trinken, viel Wasser und andere alkoholfreie Getränke zu sich nehmen, vor und während des Alkoholtrinkens essen, die Trinkmenge kontrollieren, eine tiefere Zielmenge festlegen).
- Es gibt Lebensumstände, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (Schwangerschaft, Stillphasen, Adoleszenz), da sich Alkohol negativ auf die Entwicklung des Gehirns auswirken kann.
- Es gibt Situationen, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (beim Autofahren, bei schwerer körperlicher Arbeit, beim Sport, bei der Einnahme von Drogen und Medikamenten, bei Hitze, bei wichtigen Entscheidungen, in Situationen, in denen man Verantwortung für andere trägt), da Alkohol eine Dehydrierung verursachen kann oder durch Konzentrationsschwund und Fehleinschätzungen Unfälle entstehen können.
- Erwachsene haben eine Vorbildfunktion und sollten diese wahrnehmen.
Wo die Grenze zwischen Genuss und Sucht verläuft, lässt sich nicht an Trinkmengen festmachen. «Nicht einfach die Trinkmenge entscheidet, ob jemand abhängig ist – sondern der Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten oder die Vernachlässigung anderer Interessen und Verpflichtungen. Sucht zeigt sich oft darin, dass weitergetrunken wird, obwohl die negativen Folgen längst spürbar sind. Die Betroffenen geben oft alles, um nach aussen die Kontrolle zu wahren», sagt Tania Séverin.
Mit der Neuformulierung der Empfehlungen zum Alkoholkonsum macht die Suchthilfeorganisation Blaues Kreuz klar: Es gibt keine gesunde Menge Alkohol. Davon ausgenommen ist auch das tägliche Glas Rotwein nicht – obwohl dieses lange Zeit sogar in der Medizin als «gesund» bezeichnet wurde.
«Die Überarbeitung unserer Empfehlungen richtet sich nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft», erklärt Marc Peterhans vom Blauen Kreuz. Und diese widerlegen den guten Ruf von Rotwein, selbst in moderaten Mengen. «Zwar enthält Rotwein Substanzen wie Resveratrol, die an sich die Blutgefässe – also auch das Herz – schützen. Diese positiven Effekte werden jedoch von den negativen, insbesondere dem erhöhten Krebsrisiko, deutlich aufgewogen. Deshalb gilt: Das gesunde Glas Rotwein gibt es nicht.»
Die Empfehlungen enthalten fünf weitere Punkte darüber, wie Alkohol möglichst wenig Schaden anrichtet, wenn er dennoch konsumiert wird:
- Weniger Alkohol trinken ist besser.
- Es gibt Arten, Alkohol zu trinken, die besser sind als andere (langsam trinken, viel Wasser und andere alkoholfreie Getränke zu sich nehmen, vor und während des Alkoholtrinkens essen, die Trinkmenge kontrollieren, eine tiefere Zielmenge festlegen).
- Es gibt Lebensumstände, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (Schwangerschaft, Stillphasen, Adoleszenz), da sich Alkohol negativ auf die Entwicklung des Gehirns auswirken kann.
- Es gibt Situationen, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (beim Autofahren, bei schwerer körperlicher Arbeit, beim Sport, bei der Einnahme von Drogen und Medikamenten, bei Hitze, bei wichtigen Entscheidungen, in Situationen, in denen man Verantwortung für andere trägt), da Alkohol eine Dehydrierung verursachen kann oder durch Konzentrationsschwund und Fehleinschätzungen Unfälle entstehen können.
- Erwachsene haben eine Vorbildfunktion und sollten diese wahrnehmen.
Wo die Grenze zwischen Genuss und Sucht verläuft, lässt sich nicht an Trinkmengen festmachen. «Nicht einfach die Trinkmenge entscheidet, ob jemand abhängig ist – sondern der Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten oder die Vernachlässigung anderer Interessen und Verpflichtungen. Sucht zeigt sich oft darin, dass weitergetrunken wird, obwohl die negativen Folgen längst spürbar sind. Die Betroffenen geben oft alles, um nach aussen die Kontrolle zu wahren», sagt Tania Séverin.
«Eine Betroffene erzählte mir kürzlich, dass sie ihren Konsum jahrelang nicht kontrollieren konnte. Erst als sie unter Alkoholeinfluss einen Autounfall hatte, brachte sie den Mut auf, sich Hilfe zu holen», sagt Tania Séverin (49), Direktorin von Sucht Schweiz.
Mut? Ja, den braucht es. Wer sich seiner Alkoholabhängigkeit stellt, muss mit heftigen gesellschaftlichen Reaktionen rechnen, die aus Vorurteilen und Falschannahmen entstehen. «Das Wissen darüber, dass Alkoholsucht eine psychische Erkrankung ist, ist wenig verbreitet. Viele halten es für eine Charakterschwäche.» Entsprechend werden Alkoholabhängige schnell als willensschwach, verantwortungslos oder intellektuell unterlegen abgestempelt.
Wie Vorurteile die Sucht verschlimmern
Die Angst vor Verurteilung wirkt wie ein Verstärker für das Problem. «Alkoholabhängigkeit gehört zu den psychischen Erkrankungen mit langer Verzögerung bis zur Hilfesuche», sagt Séverin. Schätzungen zufolge dauert es im Schnitt zehn Jahre, bis Betroffene professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Dieser Zeitraum ist deutlich länger als bei weniger schambehafteten Erkrankungen wie etwa einer Depression.
Alkoholabhängigkeit tritt in allen Gesellschaftsschichten auf. Das Stigma trifft manche Menschen jedoch härter als andere. So sind Menschen mit geringem Einkommen stärker gefährdet. Auch mit alkoholabhängigen Frauen geht man härter ins Gericht. Zum einen, weil sie den gesellschaftlichen Erwartungen an die Weiblichkeit widersprechen: Fürsorglichkeit, Selbstkontrolle und soziale Anpassung. Zum anderen, weil Suchtverhalten als besonders unvereinbar mit weiblichen Rollenbildern gilt.
Mütter sind besonders betroffen
Zum Beispiel mit der Mutterrolle. Die gesellschaftliche Erwartung, als Mutter stets verantwortungsvoll und selbstlos zu handeln, steht im Widerspruch zu einem Suchtverhalten. «Viele betroffene Mütter berichten von Schuldgefühlen und der Angst, als unzureichend oder gar gefährlich für ihre Kinder angesehen zu werden», sagt Séverin.
Eine Studie von Sucht Schweiz zeigt, dass Mütter mit Suchterkrankung oft zusätzlich unter internalisierter Stigmatisierung leiden, was ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigt und sie an ihren Fähigkeiten als gute Mütter zweifeln lässt. Diese Selbstzweifel können dazu führen, dass viele unnötigerweise jahrelang im Stillen unter der Sucht und ihren Folgen leiden.
Im Verborgenen zu trinken, kostet enorm viel Energie – viele Betroffene sind rund um die Uhr damit beschäftigt, ihr Problem zu verstecken. Sie isolieren sich, vermeiden zunehmend soziale Kontakte und ziehen sich selbst aus dem engsten Umfeld zurück. Gleichzeitig leiden Angehörige oft mit – emotional, durch das Verhalten der süchtigen Person und finanziell.
Was braucht es, damit Hilfe früher greift?
An Hilfsangeboten mangelt es in der Schweiz nicht. «Doch so lange das gesellschaftliche Bild der Abhängigkeit von Schuld und Scham geprägt ist, bleibt die Schwelle hoch, sich die Probleme einzugestehen und diese Angebote zu nutzen», erklärt Tania Séverin.
Die Website alkoholkonsum.ch von Sucht Schweiz bietet umfassende Informationen und Unterstützung rund um das Thema Alkoholkonsum. Sie richtet sich an Menschen, die ihren Konsum reflektieren oder verändern möchten, sowie an Angehörige.
«Wichtig zu wissen, ist, dass Betroffene weder das Haus verlassen noch die eigene Identität preisgeben müssen, um sich zu informieren und Hilfe zu erhalten.»Zudem verweist die Seite auf weiterführende Unterstützungsangebote wie Beratungsstellen, Online-Plattformen und Selbsthilfegruppen. Dieser niederschwellige Zugang ermöglicht den niederschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten. Tania Séverin: «Wichtig zu wissen, ist, dass Betroffene weder das Haus verlassen noch die eigene Identität preisgeben müssen, um sich zu informieren und Hilfe zu erhalten.»
Die Website alkoholkonsum.ch von Sucht Schweiz bietet umfassende Informationen und Unterstützung rund um das Thema Alkoholkonsum. Sie richtet sich an Menschen, die ihren Konsum reflektieren oder verändern möchten, sowie an Angehörige.
«Wichtig zu wissen, ist, dass Betroffene weder das Haus verlassen noch die eigene Identität preisgeben müssen, um sich zu informieren und Hilfe zu erhalten.»Zudem verweist die Seite auf weiterführende Unterstützungsangebote wie Beratungsstellen, Online-Plattformen und Selbsthilfegruppen. Dieser niederschwellige Zugang ermöglicht den niederschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten. Tania Séverin: «Wichtig zu wissen, ist, dass Betroffene weder das Haus verlassen noch die eigene Identität preisgeben müssen, um sich zu informieren und Hilfe zu erhalten.»
Um den Betroffenen Hilfe zugänglich zu machen, braucht es Wissen. Deswegen haben mehrere Suchtorganisationen gemeinsam den jährlichen Aktionstag Alkoholprobleme ins Leben gerufen – dieses Jahr am heutigen 22. Mai. Das Ziel ist die Aufklärung. Tania Séverin: «Alkoholabhängigkeit ist eine Erkrankung mit vielfältigen Ursachen, von biografischen Belastungen über psychische Probleme bis zu sozialen Faktoren. Es braucht mehr Wissen und weniger Vorurteile. Sodass Betroffene keine Angst vor der Scham mehr haben müssen und schnell Hilfe erhalten.»