«Islandpferde unterschätzt man immer wieder»
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Lisa Staubli tritt bei WM an:«Islandpferde unterschätzt man immer wieder»

Islandpferde-WM 2025 im Aargau
Klein, schnell, stark wie Wikinger: Islandpferde sind knuffige Top-Sportler

Und bereits ist die Schweiz wieder Schauplatz eines internationalen Wettkampfs: der Islandpferde-Weltmeisterschaft. Als Reiterinnen dabei sind Lisa Staubli (34) und Lina Neuber (17) aus dem Kanton Zürich.
Publiziert: 03.08.2025 um 18:42 Uhr
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Aktualisiert: 11:41 Uhr
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Bereit für die Islandpferde-WM: Lina Neuber (l.) und Lisa Staubli mit ihren Pferden.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Islandpferde-WM in Birmenstorf AG: Einzigartige Gangarten und familiäre Atmosphäre
  • Tölt und Rennpass machen Islandpferde besonders, Bewertung auf Ovalbahn
  • Weltweit gibt es rund 80'000 Islandpferde, in der Schweiz 5000
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Kann Safír überhaupt sehen, wo er hingaloppiert? Der dichte, blonde Schopf des Islandpferds fällt über seine Augen. «Die bläst der Wind weg, wenn wir reiten», sagt Lina Neuber (17), lacht und streicht ihrem Pferd liebevoll ein paar Fransen zur Seite. Die Reiterin ist einen Kopf grösser als ihr elfjähriger Hengst – grosse, braune Augen schauen freundlich unter dem Haar hervor. Kaum zu glauben, dass das herzige Tier ein Spitzensportler ist. Das eingespielte Duo tritt zum ersten Mal an der Islandpferde-WM an, die alle zwei Jahre stattfindet – diesmal ab 4. August in Birmenstorf AG.

Die Gymnasiastin hat das Reiten so gelernt wie viele hierzulande das Skifahren: Schon als Dreijährige sass sie zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferds. Mit acht Jahren kam sie auf den Reithof Staubli auf dem Horgenerberg ZH, heute ist dort ihr Turnierpferd eingestellt. «Als ich damals Lisa und Mara reiten sah, wusste ich: Da will ich auch mal hin.» Die Schwestern Lisa und Mara Staubli führen den Hof gemeinsam, die ältere, Mara (39), ist die Besitzerin. Sie züchten Islandpferde, reiten sie ein, verkaufen sie – und betreuen auch Pensionspferde. Beide sind international erfolgreiche Turnierreiterinnen, auch auf grossen Pferden. Lisa Staubli (34) holte bei den Mitteleuropäischen Meisterschaften (MEM) für Islandpferde vor zwei Jahren eine Goldmedaille. An der WM tritt sie mit ihrer 16-jährigen Stute Vidja in der Töltprüfung an.

Eingespieltes Team: Lina Neuber (l.) reitet seit Kindesbeinen bei Lisa Staubli.
Foto: Thomas Meier

Kompakte Kraftpakete

Tölt – das ist der Gang, der Islandpferde so einzigartig macht. Andere Pferde beherrschen drei Gänge: Schritt, Trab und Galopp. Die Isländer können zusätzlich Tölt und Rennpass. «Der Tölt ist weich, es heisst, man sitzt wie auf einem Sofa», erklärt Lisa Staubli. Denn es geht nicht auf und ab. Beim Rennpass scheinen die kleinen Pferde im Zweitakt förmlich über die Bahn zu fliegen. Mit einem Stockmass von 140 bis 145 Zentimetern – das ist etwa die Sitzhöhe zum Reiten – sind die Pferde zwar klein, aber kräftig, ausdauernd und wetterfest. Die kompakten Kraftpakete wurden vor über 1000 Jahren von den Wikingern nach Island gebracht. Isoliert im hohen Norden wurde die Rasse nicht mit anderen gekreuzt. «Das macht sie nicht zur ältesten, aber zur ursprünglichsten Rasse der Welt», sagt Staubli.

Islandpferde-WM in der Schweiz

Rund 200 Reiter‑Pferd‑Paare aus 18 Nationen messen sich an der Islandpferde‑Weltmeisterschaft 2025 in Birmenstorf AG vom 4. bis 10. August in 24 Disziplinen – von Tölt über Passrennen bis zur Zuchtbewertung. Pferdefans können die Tiere aus nächster Nähe erleben, mitfiebern und durch die Event Town mit Konzerten, Talks, Foodtrucks und Shops schlendern. Auch Camping ist möglich. Tickets via Ticketcorner; Gelände-Eintritt ohne Tribüne: 10 Franken (Kinder 5 Franken). Infos: wc2025.ch

Ulrich Neddens

Rund 200 Reiter‑Pferd‑Paare aus 18 Nationen messen sich an der Islandpferde‑Weltmeisterschaft 2025 in Birmenstorf AG vom 4. bis 10. August in 24 Disziplinen – von Tölt über Passrennen bis zur Zuchtbewertung. Pferdefans können die Tiere aus nächster Nähe erleben, mitfiebern und durch die Event Town mit Konzerten, Talks, Foodtrucks und Shops schlendern. Auch Camping ist möglich. Tickets via Ticketcorner; Gelände-Eintritt ohne Tribüne: 10 Franken (Kinder 5 Franken). Infos: wc2025.ch

Auf Island ist es seit 1909 verboten, Pferde zu importieren – und ein Pferd, das das Land verlässt, darf nie zurück. Was passiert also mit den Tieren, die aus Island zur Weltmeisterschaft in die Schweiz reisen? Sandra Zippo, Pressesprecherin der WM, erklärt: «Die meisten Pferde sind bereits verkauft und gehen nach dem Turnier an neue Besitzer, etwa in der Schweiz oder in Deutschland.» Jedes reinrassige Islandpferd ist registriert und gechippt. Weltweit gibt es rund 313'000, in der Schweiz rund 5200.

Ausblick aus dem Stall: Auf dem Reithof Staubli sind etwa 20 Pferde untergebracht.
Foto: Thomas Meier

Schon als Kind auf dem Pferderücken

Die Islandpferde-WM ist keine klassische Reitsportveranstaltung – die Disziplinen sind ganz anders. Die Isländer messen sich im Tölt und Rennpass auf einer Ovalbahn. Die fünf Richter sitzen in der Mitte und bewerten nach Kriterien wie Taktreinheit, Ausdruck, Haltung, Tempo und Harmonie – oft zu isländischer Musik und mit lautstarker Unterstützung vom Publikum. Die Stimmung ist offen und familiär, ein Festival voller Pferdeliebe – mit Foodtrucks und Musik. «Wir legen grossen Wert auf sauberen und fairen Pferdesport – das kontrollieren wir streng», betont Zippo. Im Gegensatz zu anderen Turnieren gibt es auch kein Preisgeld: «Das nimmt Druck weg.»

Was motiviert die beiden Reiterinnen vom Staublihof, bei der WM anzutreten? «Ruhm und Ehre. Und es macht Spass – auch dem Pferd», sagt Lisa Staubli. Islandpferde würden oft unterschätzt – nicht nur wegen ihrer Grösse, sondern auch wegen ihres ruhigen Wesens. «Das Tolle an ihnen ist ihre Vielseitigkeit», sagt Staubli. Sie kämmt den langen Schweif ihres Pferds aus: Vidja scheint die Fellpflege zu geniessen, immer wieder schmiegt sie sich sanft an die 34-Jährige. Als Kind hat Staubli ohne Sattel reiten gelernt. Die gutmütigen Tiere eignen sich auch für den Einsatz in der Therapie. Ob man bei ihnen wenigstens weicher fällt? Die beiden Frauen lachen. «Nur gute Reiter fallen vom Pferd», sagt Lina Neuber. «Das gehört zum Üben. Islandpferde sind kleiner, aber wendiger – mit ihnen kann man Spitzenleistungen erreichen.»

Was ist ein solches Pferd wert? «Es ist unbezahlbar!», sagen die Reiterinnen unisono. Einen Freizeit-Isländer gibt es ab 5000 Franken, ein Zuchthengst kann eine halbe Million kosten. Staubli sattelt das Pferd und führt es auf die Koppel. Einen Tölt zeigt sie lieber nicht: Vidja soll sich vor der WM nicht unnötig auspowern. Dafür geht es im leichten Trab übers Feld, Pferd und Reiterin verschmelzen zu einer Einheit.

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