Es gibt diese Netzroller in der Geschichte der Menschheit. Ereignisse, die auf zwei Seiten hätten kippen können – und scheinbar nur durch einen Wimpernschlag entschieden wurden.
Wegen eines solchen Netzrollers sagen wir heute «Hallo» am Telefon – und nicht «Ahoi». Als verhinderter Seemann, der fälschlicherweise in einem Binnenstaat geboren wurde, hätte ich freilich Ahoi bevorzugt. Aber bei der Entwicklung des Telefonapparates setzte sich Thomas Edison gegen Alexander Graham Bell durch. Edison schlug Hallo zur Begrüssung vor, Bell Ahoi.
Hallo sagen auch die Fischotter. Hallo Schweiz. Die Fischotter kehren zurück, nachdem sie ab 1990 als ausgestorben galten – und man damit rechnete, dass unser Land keinen Lebensraum mehr bieten kann. Ein Beispiel: 4000 Kilometer Bachläufe verlaufen hierzulande unterirdisch. Zwar gab es in den letzten 30 Jahren erfreuliche Renaturierungsprojekte, grundlegend hat sich die Situation aber nicht verändert.
Die «Berner Zelle» der Otter
Dass er wieder kommt, hat vor allem damit zu tun, dass er sich in allen Nachbarländern ausgebreitet hat. Die Rückkehr geht bislang relativ still vonstatten – im Vergleich zu jener von Bär und Wolf. Wie viele Otter bereits heimisch sind, weiss niemand genau. Seit 2009 fanden sich Nachweise an der Aare, an der Rhone, am Rhein, am Inn und am Ticino. An der Aare ist sogar von einer «Berner Zelle» die Rede, offenbar leben auf der Strecke nach Thun bereits sieben Tiere.
Einer der wenigen Menschen, die bereits einen der glorreichen Sieben zu Gesicht bekommen hat, arbeitet bei mir im Museum. Beatrice Baeriswyl engagiert sich für Pro Lutra. Die Stiftung begleitet die Rückkehr des putzigen Tieres. Pro Lutra hat im Kanton Bern Gebiete kartiert und wird künftig die Ausbreitung dokumentieren.
Eine Bitte an die Fischer
Fischotter brauchen ziemlich grosse Territorien, ein Männchen beansprucht bis 20 Kilometer eines Gewässers. Baeriswyl hat einen Tipp, wo man Reviermarkierungen findet: Die Wassermarder hinterlassen gerne ihren süsslich riechenden Kot an exponierten Stellen, zum Beispiel unter einer Brücke oder einem markanten Stein am Ufer.
Der Name sagt alles: Auf dem Speiseplan des Otters stehen Fische. Als Sohn eines eingefleischten Fischers liegen mir auch Fische sehr am Herzen. Deren Situation ist alarmierend. Ich hoffe aber, dass die Fischer ihre Kräfte für den Kampf für möglichst viele naturnahe Gewässer einsetzen und auch sie die Otter mit einem warmen Ahoi begrüssen.
Simon Jäggi (37) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf.