Motivations-Guru Jürgen Höller (52) heizte 1600 Anhängern in Basel ein
Er macht aus jedem Huhn einen Adler

Deutschlands Motivations-Guru Höller war am Samstag in Basel zu Besuch: Für 106 bis 272 Franken pro Person gabs einen Mix aus One-Man-Show und ein bisschen Trubel.
Publiziert: 21.02.2016 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:54 Uhr
Höller redet stundenlang – und fesselt damit auch in Basel sein Publikum.
Foto: Siggi Bucher
Christiane Binder (Text) und Siggi Bucher (Fotos)

Auf die Bühne starren 3200 Augen. Dort, allein im Scheinwerferlicht, redet Jürgen Höller (52), Deutschlands erfolgreichster Motivationstrainer. Alle 20 Minuten gibts ein Zwischenspiel. «ChaiKa» schreien die Leute dann oder vollführen eine Art La Ola. Verpassen sich gegenseitig eine Nackenmassage oder hopsen zum Rhythmus von fetzigen Schlager-Darbietungen.

Wenn 1600 Menschen gebannt zuhören und nur einer spricht – dann sind das die Jürgen-Höller-«Power-Days», ein Wochenend-«Seminar». Allein am Samstag spricht der Mann, verteilt über zwei Drei-Stunden-Blöcke, in Basel netto sechs Stunden. Ein Mix aus One-Man-Show und ein bisschen Trubel für 106 bis 272 Franken pro Person, gedacht zum Kennenlernen des Wunder-Motivators, der zu seinen besten Zeiten ­Tagesgagen von 25'000 Franken kassierte und Bestseller wie «Sprenge Deine Grenzen» verfasste. Sonst kosten die Seminare im Minimum das 15-Fache. Am Samstagabend gabs noch eine Party dazu.

Siegfried und Roy hat Höller zur Tigerdressur motiviert, Fussballtrainer Christoph Daum über glühende Kohlen springen lassen, aber auch 1,3 Millionen Normalos ein Motivationsfeuer unterm Hintern entfacht.

Leuten, die aussehen wie das Publikum am Samstag im Basler Congress Center. Frauen und Männer jeden Alters, sie erinnern an die Scharen, die sich samstags durch die Ikea-Häuser schieben. Freizeitkluft, beim weiblichen Teilnehmer aufgehübscht mit Leo-Leggings oder Foulards, ansonsten Parkas, schlottrige Hosen und mancher enorme Rucksack. Aus dem ziehen vor allem die deutschen Besucher in der Mittagszeit (es gibt ein Catering) Hartwürste und Softdrinks.

Klein-Selbständige, Freiberufler, von ihren Chefs geschickte Verkaufspersonen seien sein Publikum, sagt Höller später. Man sieht sie förmlich vor sich, wie sie auf dem Land in ihrem Bistro oder dem Elektro-laden angstvoll vor sich hinwursteln. Irgendwie läuft es nicht, und jetzt kommt auch noch die Globalisierung.

Noch sind sie wie die «Hühner», von denen Jürgen Höller in seinem Adler-Gleichnis im Saal, plastisch ausgeschmückt, erzählt: Ein Adlerjunges wächst im Hühnerstall auf, ahnungslos, welcher Überflieger in ihm steckt. Allgemeines Nicken. So was verstehen die Leute auch ohne, dass es Höller explizit sagen muss: Auch in mir lebt ein Adler, ich muss ihn nur entdecken!

Er ist mit allen per Du, seine Sprache packend. Das Timing der Anekdoten und Witze stimmt so perfekt, wie die Gesten sitzen. Sein weicher fränkischer Zungenschlag macht ihn den Leuten sympathisch. Die Zeitschrift «GQ» hat Höller zu einem der «25 besten Redner unserer Zeit» gekürt. In 30 Minuten hat er seine 1600 Zuhörer im Griff.

Jürgen Höller: «Jede Blume will blühen!»
Foto: Siggi Bucher

Gut verpackte Kernsätze im Minutentakt. «Jede Blume will blühen!» (Beifall). «Probleme anpacken, nicht unter den Teppich kehren!» (Beifall). Bald geht man mit sich selber ins Gericht: Bin ich ein «Bewerter» oder ein «Verwerter»?

Jürgen und Kerstin Höller: Seit 25 Jahren ein Paar. Sie haben zwei Söhne.
Foto: Siggi Bucher

Der Erste hat Noten für alles und jedes. Der Zweite schaut, was kommt und lernt daraus. Auch emotionale Momente fehlen nicht. Wenn Höller erzählt, wie ihm seine Frau Kerstin, als er verzweifelt im Gefängnis sass, einen Brief schrieb: «Steh auf, mach was!», ist das Publikum gerührt. Weit mehr als eine Stunde widmet er der eigenen Erfolgsstory. 1963 geboren im fränkischen Schweinfurt, «am Arsch der Welt». Eltern einfache Leute. Mit 19 Sportstudio gekauft. Mit 23 «die erste Mil­lion Privatschulden». 1989 Gründung einer  Beratungsfirma. 1991 Beginn mit Motiva­tionsseminaren. 1994 verdient er «siebenstellig». 2001 platzt der Plan, seine Firma (geschätzt auf etwa 500 Millionen Franken) an die Börse zu bringen. Verurteilt zu drei Jahren Haft wegen Konkursvergehens und Steuersünden. 2004 entlassen. Neuanfang bei null. Heute, sagt Höller, sei er wieder so weit, «nicht mehr arbeiten zu müssen».

Aber jetzt: Schluss mit Trübsal! Eins! – zwei! – drei!, zählt Höller. Auf drei brüllen alle den Kampfruf «Chai-Ka». Kerstin Höller betritt die Bühne, singt mit Gänsehautstimme den Rosenstolz-Schlager «Wir sind am Leben». Und ob wir das sind! Der Saal klatscht rhythmisch mit. Manche tanzen. Den Adlern wachsen Flügel.

Auf Biegen und Brechen

BLICK-Redaktorin Christiane Binder wagt den Selbstversuch.

Früher liess Jürgen Höller seine Kunden über heisse Kohlen laufen. Jetzt lässt er sie Stangen oder Pfeile zerbrechen – um zu zeigen, was der Mensch alles kann, wenn er es sich zutraut. Ich habe da keine Zweifel. Klar kann ich das. Ein Profi wie Jürgen Höller wird mir ja nichts aufschwatzen, was ich nicht kann.

Mentale Einstimmung muss aber sein. Im Hotelzimmer soll ich mich ihm gegenübersetzen. Bitte entspannen. Bitte bequem. Bitte Augen zu. Er redet auf mich ein wie auf ein krankes Pferd. Der Pfeil (von einem normalen Sportbogen) sei «weich, weich, weich» und «biegsam, biegsam, biegsam». Wie ein Salzstängeli, soll ich imaginieren.

Nach gefühlten zwei Minuten «weckt er mich auf». Dann geht alles in Sekundenschnelle. Pfeil an der weichen Stelle am Hals überm Brustbein platzieren. Der Meister zählt vor. «Eins, zwei, drei – drücken!» Tu ich! Aber hey, das tut weh! Von wegen Salzstängeli. Geht nicht, schiesst es mir durch den Kopf. Was soll der Quatsch?

Zweiter Versuch. Jetzt spanne ich die Halsmuskeln, drücke wie blöd, unangenehmes Gefühl. Aber –krack! – der Pfeil liegt in zwei Hälften am Boden. Höller reisst mich in die Arme. Geschafft! Jetzt bin ich doch stolz. Warnung: Privat nachmachen soll man das auf keinen Fall. Ich muss Höller versprechen, diese Warnung auch hier zu schreiben. Denn ganz ohne ist das nicht.

«Drücken» befiehlt mir Jürgen Höller. Leider passiert nichts. Nur mein Hals tut weh. Zweiter Versuch: Ich soll ihm tief in die Augen sehen. Das rettet mich. Der Pfeil biegt sich – und bricht in zwei Teile.
«Drücken» befiehlt mir Jürgen Höller. Leider passiert nichts. Nur mein Hals tut weh. Zweiter Versuch: Ich soll ihm tief in die Augen sehen. Das rettet mich. Der Pfeil biegt sich – und bricht in zwei Teile.
Siggi Bucher

BLICK-Redaktorin Christiane Binder wagt den Selbstversuch.

Früher liess Jürgen Höller seine Kunden über heisse Kohlen laufen. Jetzt lässt er sie Stangen oder Pfeile zerbrechen – um zu zeigen, was der Mensch alles kann, wenn er es sich zutraut. Ich habe da keine Zweifel. Klar kann ich das. Ein Profi wie Jürgen Höller wird mir ja nichts aufschwatzen, was ich nicht kann.

Mentale Einstimmung muss aber sein. Im Hotelzimmer soll ich mich ihm gegenübersetzen. Bitte entspannen. Bitte bequem. Bitte Augen zu. Er redet auf mich ein wie auf ein krankes Pferd. Der Pfeil (von einem normalen Sportbogen) sei «weich, weich, weich» und «biegsam, biegsam, biegsam». Wie ein Salzstängeli, soll ich imaginieren.

Nach gefühlten zwei Minuten «weckt er mich auf». Dann geht alles in Sekundenschnelle. Pfeil an der weichen Stelle am Hals überm Brustbein platzieren. Der Meister zählt vor. «Eins, zwei, drei – drücken!» Tu ich! Aber hey, das tut weh! Von wegen Salzstängeli. Geht nicht, schiesst es mir durch den Kopf. Was soll der Quatsch?

Zweiter Versuch. Jetzt spanne ich die Halsmuskeln, drücke wie blöd, unangenehmes Gefühl. Aber –krack! – der Pfeil liegt in zwei Hälften am Boden. Höller reisst mich in die Arme. Geschafft! Jetzt bin ich doch stolz. Warnung: Privat nachmachen soll man das auf keinen Fall. Ich muss Höller versprechen, diese Warnung auch hier zu schreiben. Denn ganz ohne ist das nicht.

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