«McQueen»-Regisseur Bonhôte
«Pummeliger, schwuler Junge aus East End»

Mit 40 Jahren nahm sich Modeschöpfer Alexander McQueen das Leben. Mit einem Dokumentarfilm ehrt der Schweizer Regisseur Ian Bonhôte das Werk des Designers – und blickt hinter den Vorhang der Modewelt.
Publiziert: 30.08.2018 um 12:32 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:31 Uhr
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Ian Bonhôtes Film «McQueen» ist nicht nur eine Hommage an einen ausserordentlichen Designer, sondern blickt auch hinter die schillernden Kulissen des Modebusiness.
Foto: Imdb.com
Interview: Florentina Walser

Der Londoner Designer Lee Alexander McQueen (†40) war ein Ausnahmetalent. Mit 24 Jahren gründete er sein eigenes Modelabel, mit 27 wurde er Givenchy-Chefdesigner – und mit 40 beging er Suizid. Regisseur Ian Bonhôte (40) liefert nun einen Dokumentarfilm über das Leben des «Enfant terrible» der Modebranche, der am 23. August in den Schweizer Kinos anlief.

«Eine Art verrückte Collage», so nennt Bonhôte sein Konzept. Eine treffende Bezeichnung für die Unmenge an verwackelten Tapes, Aufnahmen von Modeschauen, Bildanimationen sowie Interviews, mit denen er das Werk des Designers dokumentiert. Ähnlich wie McQueens abgefahrene Kreationen ist der Film zwar beeindruckend, für Modelaien aber eher eine Überforderung der Augen. BLICK sprach mit dem Regisseur von «McQueen».

BLICK: Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie, als Schweizer Regisseur und Produzent, einen Dokumentarfilm über den britischen Modezaren McQueen machen?
Ian Bonhôte: Bereits bei den Musikvideos oder den Werbefilmen, die ich gemacht habe, war meine Arbeit eng verknüpft mit der Beauty- und Modeindustrie. Meine Arbeitskollegen, die eine eigene Produktionsfirma haben, brainstormten für eine neue Idee – und plötzlich kam McQueen ins Rennen. Es war ein bisschen so: Wie wärs mit einem Dokumentarfilm über McQueen? Und ich sagte: Ja verdammt, wieso nicht? 

Und was faszinierte Sie an Alexander McQueen als Person?
Alexander McQueen als Person fasziniert mich ebenso fest wie er als Designer.

Schweizer Filmemacher wagt sich an Londons Modewelt

Ian Bonhôte erblickte 1977 das Licht der Welt und wuchs in Genf auf. In den Nachtclubs der Romandie sammelte er mit Videoinstallationen und Filmshows erste Erfahrungen in der Filmbranche. Mit gerade einmal 19 Jahren zog Bonhôte nach dem Matura-Abschluss nach London, wo er ein Studium in Filmproduktion begann. Anschliessend machte er mit Werbefilmen und Musikvideos Karriere. Inzwischen wurde der Filmemacher mit katalanischen Wurzeln mehrfach ausgezeichnet, arbeitet als Regisseur, Produzent und ist Mitgründer der Produktionsfirma Pulse Films.

«McQueen» ist der erste Dokumentarfilm des 40-Jährigen und nach «Alleycats» (2016) der zweite Langspielfilm, bei dem er Regie führte. Zurzeit lebt Bonhôte mit seinen zwei kleinen Söhnen in London.

Ian Bonhôte erblickte 1977 das Licht der Welt und wuchs in Genf auf. In den Nachtclubs der Romandie sammelte er mit Videoinstallationen und Filmshows erste Erfahrungen in der Filmbranche. Mit gerade einmal 19 Jahren zog Bonhôte nach dem Matura-Abschluss nach London, wo er ein Studium in Filmproduktion begann. Anschliessend machte er mit Werbefilmen und Musikvideos Karriere. Inzwischen wurde der Filmemacher mit katalanischen Wurzeln mehrfach ausgezeichnet, arbeitet als Regisseur, Produzent und ist Mitgründer der Produktionsfirma Pulse Films.

«McQueen» ist der erste Dokumentarfilm des 40-Jährigen und nach «Alleycats» (2016) der zweite Langspielfilm, bei dem er Regie führte. Zurzeit lebt Bonhôte mit seinen zwei kleinen Söhnen in London.

Also unterscheiden Sie zwischen dem Designer und der Person?
Ja, unser Film geht definitiv über den Designer hinaus. Und ich glaube, das ist, was die Leute überrascht. Es geht nicht nur um die Modewelt. Wenn man einen Film über den Mann hinter dem Modelabel macht, dann wird man die Protzigkeit der Fashionbranche los. Man blickt hinter den Vorhang. Ich liebe die Tatsache, dass er ein hässlicher, pummeliger und schwuler Junge aus East End war, der irgendwie die Modeindustrie verändert hat. Traurigerweise hat sie schliesslich auch ihn verändert. Er hat sich selbst verloren. 

Haben Sie McQueen persönlich getroffen?
Nein, aber ich habe ihn einige Male gesehen.

Sie haben ihn gesehen?
Ja, weil ich in einem Club am Hoxton Square gearbeitet habe – direkt neben seinem Studio. Da ging er manchmal mit seinem Hund spazieren oder kam von Zeit zu Zeit in den Club. Damals war ich jedoch ein neunzehnjähriger Schweizer Junge, der gerade erst in London angekommen war. Er dagegen war ein grosser Star. Man läuft nicht einfach zu solchen Leuten hin und sagt hallo. Aber ich kenne viele, die für ihn gearbeitet haben. In London ist er bis heute unglaublich präsent. Und sogar hier in Zürich habe ich eine Frau getroffen, die von 2005 bis 2008 Financial Officer bei McQueen war. Man trifft ständig Menschen, die ihn gekannt haben.

Im Film stellen Sie es so dar, dass es letztlich der Tod seiner Mutter war, der zu seinem Nervenzusammenbruch und Suizid geführt hat.
Ich glaube, das war der endgültige Auslöser. Lee hatte aber schon zuvor mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen. Es war fast so, als ob er darauf gewartet hätte, dass ihn seine Mutter verliess, um dann selbst zu gehen. Ich denke, er hätte nicht Suizid begangen, bevor seine Mutter starb. 

Hatte McQueen seinen jungen Erfolg seinen Fähigkeiten zu verdanken – oder hatte das mit seiner Provokation zu tun?
Es war sicherlich eine Kombination aus beidem. Lee sagte es selbst: Man muss zuerst die Tradition und das Handwerk verstehen, um es anschliessend zu zerlegen und komplett neu zu erfinden. Seine Provokation war nicht nur zweckmässig, er hat sie gezielt eingesetzt. Er hatte das Gefühl, dass die Mode fad geworden war. Und ich bin sogar davon überzeugt, dass Lee auf eine Art die «Me Too»-Bewegung beeinflusste. Denn schliesslich hatte er Einfluss darauf, wie sich Frauen kleiden und damit, wie sich Männer gegenüber Frauen verhalten. Das trug bei, die Welt auf irgendeine Art und Weise – hoffentlich – etwas gerechter und besser zu machen.

Können Sie sich selbst mit ihm identifizieren? 
Nein, wir sind sehr unterschiedlich. Ich bin nicht so eine destruktive Person.

Sie finden, er war destruktiv?
Er hatte eine sehr zerstörerische Seite. Ich nicht. Ich will leben, und zwar so lange wie möglich. Ich würde lieber auf Erfolg verzichten, um dafür zu leben, mit Freunden oder meiner Familie zusammen zu sein oder das schöne Wetter zu geniessen.

Wie viel Geld geben Sie für Kleidung aus?
Viel zu viel! Ich liebe Kleider. Kleider sind eine Möglichkeit, verschiedene Seiten der Persönlichkeit auszudrücken.

Und tragen Sie auch McQueen?
Jetzt gerade nicht, aber manchmal trage ich McQueen.

Sie besitzen also Kleidungsstücke, die er designt hat?
Ich hatte schon einige Stücke, als er noch am Leben war. Sobald ich etwas mehr Geld verdiente, gönnte ich mir einige McQueen-Teile. Ich sehe Mode als etwas Kreatives. Viele Leute finden es jedoch hochgestochen. Sie sehen Dinge auf dem Laufsteg, die sie nie tragen würden. Aber es geht ja genau darum, dass man die Teile nicht jeden Tag sieht. 

Also verstehen Sie Alexander McQueens Mode als eine Form von Kunst?
Die von Alexander McQueen schon, und es gibt auch heute noch einige Designer, die Künstler sind.

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