Warum Männer ihren Pornokonsum verstecken
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Umfrage unter BLICK-Lesern
Warum Männer ihren Pornokonsum verstecken

In einer Umfrage haben wir herausgefunden, wie unsere Community mit Pornografie umgeht. Nun lassen wir die Ergebnisse von Sexologin Caroline Fux einordnen und stellen fest: Vieles ist normaler, als man denkt.
Publiziert: 12.11.2020 um 12:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2020 um 17:21 Uhr
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Tausende BLICK-Leserinnen und -Leser nahmen an unserer Umfrage zum Thema Pornografie teil. Zuerst einmal: danke für euer Vertrauen.
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Community-Team

Wie häufig schaust du Pornos? Sprichst du mit deinem Partner darüber? Und wenn ja, schämst du dich dafür? Solche und andere Fragen beantworteten über 10’000 BLICK-Leserinnen und -Leser in unserer Umfrage. Dabei sind uns ein paar Dinge aufgefallen, die wir nun mit Psychologin und Sexologin Caroline Fux genauer betrachten wollen. Im Folgenden liest du die fünf wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage, und was die Expertin dazu sagt.

1. Frauen reden offener darüber

Auf die Frage, ob sie ihren Pornokonsum in einer Beziehung besprechen, sagten über die Hälfte der Teilnehmerinnen, sie seien diesbezüglich relativ offen. Im Gegensatz dazu schauen zwei Drittel der Männer Pornos nur heimlich. «Frauen haben in der Regel weniger zu befürchten, wenn sie ihren Konsum offenlegen», sagt Fux. «Sie können mehr oder weniger davon ausgehen, dass ihr Partner auch Pornos guckt.»

Sind die Rollen getauscht, sieht das jedoch weniger locker aus: «Viele Partnerinnen reagieren heftig und negativ, wenn sie damit konfrontiert werden, dass der Partner Pornos guckt», sagt Fux. Entsprechend würden viele Männer ihren Konsum verstecken – «auch, weil sie vielleicht früher schon negative Erfahrungen gemacht haben, wenn es rauskommt, oder sie dies zumindest befürchten».

2. Frauen stört es eher, wenn der Partner Pornos schaut

Vor allem Frauen, die das Thema in ihrer Beziehung nicht offen besprechen, geben an, sie hätten Mühe damit, wenn ihr Partner Pornos guckt. Die Gründe dafür können laut Fux vielseitig sein: «Viele Frauen lehnen Pornos moralisch komplett ab oder sie fühlen sich bedroht», sagt sie. «Sie haben Angst, dass sie in Bezug auf das Aussehen oder auf die gezeigten Praktiken mithalten müssen.» Männer seien diesbezüglich aber auch nicht völlig immun.

Entscheidend sei immer auch die Beziehung an sich. Ist die Paarsexualität nicht mehr besonders prickelnd, können Pornos zusätzliche Verunsicherung stiften. «Vielleicht ist er zu müde für Sex, zieht sich zurück, guckt aber Pornos und befriedigt sich dabei. Das lässt viele Frauen verletzt und ratlos zurück», sagt Fux. Ein offenes Gespräch könne helfen, ist laut der Expertin aber für viele Paare schwierig: «Reden über Sex, egal ob über Pornos oder über andere Themen, muss man zuerst lernen und üben. Viele Paare haben da Nachholbedarf.»

3. Es lohnt sich, das Thema anzusprechen

Gelingt ein Gespräch dann doch, ist das nicht nur wertvoll für die Beziehung, sondern auch für das eigene Verhältnis zu Pornografie. Wer das Thema verschweigt, hat laut unserer Umfrage das Gefühl, zu viele Pornos zu schauen. «Durch das Verstecken und die Scham entsteht ein teils beträchtlicher Druck und eine innere Spannung», bestätigt Fux. «Ich mache etwas, das mir zwar einerseits gefällt, im Hinterkopf habe ich aber auch eine Stimme, die mir sagt, dass es ‹böse› ist.»

Unter diesen Umständen könne man Pornos kaum noch geniessen – auf den Orgasmus folgt das schlechte Gewissen. Laut der Psychologin erhöht dies die Gefahr, in einen zwanghaften, gestressten Konsum abzurutschen.

4. Viele Fantasien sind normaler, als man denkt

Sowohl Männer als auch Frauen geben an, sich manchmal nach dem Orgasmus für die Art der Pornos, die sie schauen, zu schämen. Sie sind von den eigenen Vorlieben schockiert. «Diesen Effekt gibts nicht nur bei Pornos, sondern auch bei sexuellen Fantasien», sagt Fux. Als Ursache vermutet sie, dass viele Menschen ein völlig falsches Bild davon haben, was genau zur sexuellen Norm gehört: «Sie messen sich an irgendeinem Kunstbild von Normalität, das oft nur sehr begrenzt der Vielfalt der tatsächlich gelebten und fantasierten Sexualität der Leute entspricht.»

In den allermeisten Fällen gibt es aber keinen Grund, sich zu schämen. Das merkt Fux in ihrer Beratung. «Menschen gehen oft in grosser Not zu einer Beratung und äussern eine Fantasie, von der sie glauben, damit total allein zu sein», erzählt sie. «Und als Fachperson denkt man sich: ‹Alles schon gehört› oder ‹da steckt doch auch viel Potenzial drin›».

5. Männer wählen den einfacheren Weg

Laut unserer Umfrage masturbieren Frauen häufiger auch ohne Pornografie. Viele Männer empfinden dies als «viel schwieriger». «Pornos bieten einen sehr starken Reiz, der oft sehr zuverlässig einschlägt. Entsprechend ist es bequemer, sich Lust per Knopfdruck zu holen, als sie selbst aufzubauen», sagt sie. Nur weil man häufiger mit Unterstützung masturbiert, sei das aber noch lange kein Grund zur Sorge. «Es wie beim Junkfood», sagt Fux. «Wegen ein paar Mal Hamburger macht man noch keine ‹Super Size Me›-Karriere.»

Das Problem sei eher, dass viele Leute beim Pornogucken einen miserablen Zugang zu ihrem Körper haben. «Sie liegen total regungslos und verspannt da – so kann sich die Erregung gar nicht im Körper verteilen», sagt sie. Ein Orgasmus, bei dem der ganze Körper durch Bewegung aktiviert wird, sei viel schöner. Wenn die Leute das erst mal realisieren, so verzichten sie laut Fux’ Erfahrung gerne ab und zu auf den «Porno-Quickie».

«Pornos haben Platz in einer schönen Sexualität»

BLICK: Wie weiss man eigentlich, ob man zu viele Pornos schaut?
Caroline Fux: Das kann man pauschal nicht sagen. Das kommt extrem darauf an, wie es einer Person mit der Situation geht und was überhaupt sonst noch zu ihrer Sexualität gehört. Es ist eine total andere Sache, wenn ich jemanden vor mir habe, der sich täglich genüsslich und bewusst eine Auszeit nimmt und sich dabei und danach gut fühlt. Oder ob sich jemand kopflos und mit einem Gefühl von Scham und Kontrollverlust in Videos verliert.

Wann werden Pornos denn zum Problem in einer Beziehung?
Pornos haben absolut Platz in einer schönen Sexualität. Entscheidend ist, was sonst noch alles passiert. Ich sehe aktuell auch eine Tendenz, Pornos an allem die Schuld zu geben. Und es gibt ja auch vieles, das man zurecht an ihnen kritisieren kann. Aber ganz so einfach ist es nicht. Bei Paaren, die mit ihrem Sexleben unzufrieden sind, geht es viel häufiger um andere Ursachen als um Pornos.

Stimmt es, dass regelmässiger Pornokonsum dazu führt, dass wir immer härtere Inhalte brauchen, um erregt zu werden – also dass Pornos uns abstumpfen?
Es gibt dieses Phänomen, es tritt aber längst nicht bei allen auf. Pornos sind halt sehr bequem. Das ist ein bisschen, wie wenn man mit oder ohne Brandbeschleuniger ein Feuer machen möchte. Wenn ich standardmässig eine Flasche Sprit drüber kippe, dann fehlt mir zur anderen Technik vielleicht irgendwann der Zugang. Toll wäre, wenn die Leute ein 50:50 Verhältnis hätten: einmal Selbstbefriedigung mit, einmal ohne Porno. 1:2 wäre auch schon super.

Offenbar möchten viele Männer die Dinge, die sie in Pornos sehen, ausleben. Frauen hingegen antworten häufiger, dass Fantasien eben nur Fantasien seien. Wie erklärst du dir das?
Da muss man genauer hinschauen, was sich die Geschlechter denn überhaupt anschauen, bevor man das gegenüberstellt. Ganz viele Frauen haben beispielsweise relativ harte Fantasien, die als reales Erlebnis für sie aber total schrecklich wären. Diese Diskrepanz verunsichert sie massiv. Männer sind da einfach lockerer und sagen schnell mal: «Vier Frauen aufs Mal? Klar doch!» Wenns dann wirklich ums Ausleben geht, haben viele doch Bedenken. Aber eben: Fantasie ist nicht gleich Fantasie.

Wann sollte man solche Fantasien denn ansprechen?
Fantasien haben in meinen Augen fälschlicherweise ein schlechtes Image. Diesen sexuellen Spielplatz zu haben, auf dem ich mich einfach ohne Konsequenzen austoben kann, das ist eigentlich eine geniale Sache. Ich muss mich nicht um sexuell übertragbare Krankheiten oder Verhütung oder irgendwelche sozialen Konsequenzen kümmern. Wer das checkt und schätzt, findet oft einen ganz neuen Zugang zur eigenen Fantasie. Aber wenn der Wunsch wirklich da ist, dann könnte man ja mal schauen, wie realistisch die Erfüllung ist. Man kann sich auch schrittweise annähern oder nur mal im Gespräch. Das ist für viele an sich schon ein Abenteuer – und dann auch Abenteuer genug.

Portrait Caroline Fux
Caroline Fux, Psychologin und Sexologin.
Geri Born

BLICK: Wie weiss man eigentlich, ob man zu viele Pornos schaut?
Caroline Fux: Das kann man pauschal nicht sagen. Das kommt extrem darauf an, wie es einer Person mit der Situation geht und was überhaupt sonst noch zu ihrer Sexualität gehört. Es ist eine total andere Sache, wenn ich jemanden vor mir habe, der sich täglich genüsslich und bewusst eine Auszeit nimmt und sich dabei und danach gut fühlt. Oder ob sich jemand kopflos und mit einem Gefühl von Scham und Kontrollverlust in Videos verliert.

Wann werden Pornos denn zum Problem in einer Beziehung?
Pornos haben absolut Platz in einer schönen Sexualität. Entscheidend ist, was sonst noch alles passiert. Ich sehe aktuell auch eine Tendenz, Pornos an allem die Schuld zu geben. Und es gibt ja auch vieles, das man zurecht an ihnen kritisieren kann. Aber ganz so einfach ist es nicht. Bei Paaren, die mit ihrem Sexleben unzufrieden sind, geht es viel häufiger um andere Ursachen als um Pornos.

Stimmt es, dass regelmässiger Pornokonsum dazu führt, dass wir immer härtere Inhalte brauchen, um erregt zu werden – also dass Pornos uns abstumpfen?
Es gibt dieses Phänomen, es tritt aber längst nicht bei allen auf. Pornos sind halt sehr bequem. Das ist ein bisschen, wie wenn man mit oder ohne Brandbeschleuniger ein Feuer machen möchte. Wenn ich standardmässig eine Flasche Sprit drüber kippe, dann fehlt mir zur anderen Technik vielleicht irgendwann der Zugang. Toll wäre, wenn die Leute ein 50:50 Verhältnis hätten: einmal Selbstbefriedigung mit, einmal ohne Porno. 1:2 wäre auch schon super.

Offenbar möchten viele Männer die Dinge, die sie in Pornos sehen, ausleben. Frauen hingegen antworten häufiger, dass Fantasien eben nur Fantasien seien. Wie erklärst du dir das?
Da muss man genauer hinschauen, was sich die Geschlechter denn überhaupt anschauen, bevor man das gegenüberstellt. Ganz viele Frauen haben beispielsweise relativ harte Fantasien, die als reales Erlebnis für sie aber total schrecklich wären. Diese Diskrepanz verunsichert sie massiv. Männer sind da einfach lockerer und sagen schnell mal: «Vier Frauen aufs Mal? Klar doch!» Wenns dann wirklich ums Ausleben geht, haben viele doch Bedenken. Aber eben: Fantasie ist nicht gleich Fantasie.

Wann sollte man solche Fantasien denn ansprechen?
Fantasien haben in meinen Augen fälschlicherweise ein schlechtes Image. Diesen sexuellen Spielplatz zu haben, auf dem ich mich einfach ohne Konsequenzen austoben kann, das ist eigentlich eine geniale Sache. Ich muss mich nicht um sexuell übertragbare Krankheiten oder Verhütung oder irgendwelche sozialen Konsequenzen kümmern. Wer das checkt und schätzt, findet oft einen ganz neuen Zugang zur eigenen Fantasie. Aber wenn der Wunsch wirklich da ist, dann könnte man ja mal schauen, wie realistisch die Erfüllung ist. Man kann sich auch schrittweise annähern oder nur mal im Gespräch. Das ist für viele an sich schon ein Abenteuer – und dann auch Abenteuer genug.

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