Kriselt es an Weihnachten in Beziehungen tatsächlich leichter oder täuscht der Eindruck? Wenn ja, woran liegt das?
Caroline Fux: Es sind nun mal aussergewöhnliche Tage. Man sehnt sich nach Ruhe und Familienglück, tatsächlich hat man ein extrem volles Programm, unliebsame Verwandte kosten Nerven, die Kinder fallen ins Zucker- und Geschenke-Flash, und bei vielen ist auch einfach die Batterie nach einem anstrengenden Arbeitsjahr etwas leer. Das ist ein guter Nährboden für Streit. Ob wirklich mehr gezofft wird als sonst, ist schwer zu sagen.
Streiten sich Paare während der Festtage über andere Dinge als sonst?
Im Gegenteil. Viel häufiger brechen die immer gleichen Konflikte auf, die man auch sonst unter dem Jahr wälzt. Man verbringt mehr Zeit miteinander, was zwar schön ist, aber dadurch fehlen auch wichtige Momente des Rückzugs. Neu ist dann vor allem der Aufhänger des Streits.
Wie kann man verhindern, dass aus einer reinen Diskussion ein heftiger Streit wird?
Auseinandersetzungen sind wichtig in einer Beziehung. Jeder hat früher oder später Differenzen, und die muss man klären. Wenn man merkt, dass man nicht weiter kommt und der Ton gehässig ist, sollte man ein Time-out vereinbaren, sich «abkühlen» und die Diskussion mit ruhigeren Nerven fortsetzen.
Gibt es Themen, die man beim Weihnachtsessen oder über die Feiertage nicht ansprechen sollte?
Da ist gesunder Menschenverstand gefragt. Die Zahl der Familien, die herzlich und positiv über Krieg, Krankheiten und andere Tragödien diskutiert, ist doch beschränkt. Auch in persönlichen Schwierigkeiten rumzustochern, ist keine gute Idee. Aber besser als Themenverbote sind Themenwechsel. Wobei das natürlich leichter gesagt ist, als getan. Wird man mit unangenehmen Fragen gelöchert, darf man sich abgrenzen: «Das ist ein spannendes Thema, aber lass uns das ein anderes Mal anschauen». Sind unverbesserliche Kampf-Diskutierer am Tisch, kämpft man aber meist auf verlorenem Posten. Dann gilt: Ruhig bleiben. Auch dieser Abend geht vorbei.
Gibt es Anzeichen, die einen grossen Knall ankündigen? Wenn ja, kann man bereits auf dieser Stufe etwas unternehmen, damit es nicht zum Eklat kommt?
Negative Kommunikation ist ein Warnzeichen. Also beispielsweise permanente Kritik, verächtliche Kommentare, Provokationen. Eine richtige «Stink-Stimmung» halt. Auch dann braucht es einen Stopp und die Frage, was einen überhaupt so nervt. Nur wenn man weiss, was die miese Stimmung wirklich auslöst, kann man das auch ändern. Oft hat die Krise gar nichts mit der Beziehung zu tun. Manchmal ist man einfach müde und überfordert. Der Partner kann nichts dafür, dass die Schlange vor der Kasse lang ist oder dass Tante Trudi wieder zu viel getrunken hat. Dann kann man gemeinsam gegen das Problem kämpfen statt gegeneinander.
Was soll man tun/nicht tun, wenn mitten im Weihnachtsessen doch ein grosser Zoff losgeht? Gibt es Möglichkeiten zur Entschärfung?
Ein seit Jahren rituell stattfindender Familienkrach lässt sich leider nicht ohne weiteres verhindern. Oft trägt man ja auch zum Problem bei, indem man schon gereizt in den Abend einsteigt. Entweder steht man drüber und schreibt den Abend als Dienst an den lieben Verwandten ab oder man zieht sich zurück. Warum nicht mal in anderem Kreise feiern? Das mag ein drastisches Zeichen sein, aber wenn man es als Familie nicht schafft, den Abend zivilisiert zu verbringen, dann ist man nicht verpflichtet, das Jahr für Jahr hinzunehmen.
Wie kann man die Beziehung reparieren, wenn man sich daneben benommen oder im Ton vergriffen hat? Noch mehr Geschenke?
Klar! Materielles heilt alle Wunden. ;) Nein, im Ernst: Man sollte sich auch nicht mit der Aufgabe übernehmen, für perfekte Weihnachten zu sorgen. Überhöhte Erwartungen sind der Feind jedes Glücks. Bemerkt man seinen Übertritt, ist natürlich eine Entschuldigung angesagt, am besten mit einer Erklärung, warum man die Nerven verloren hat. Beziehungswunden brauchen Zeit und Pflege, damit sie heilen. Das kann man nicht in einem Abend erreichen. Distanz und dann ein sorgfältiges Aufarbeiten sind der einzige Weg. Es ist aber definitiv besser, wenn man es gar nicht so weit kommen lässt.