Ich (59) bin bereits über dreissig Jahre mit meiner Frau (56) verheiratet. Leider haben wir nur einmal im Monat Sex und ich muss immer betteln, was ich leid bin. Hinzu kommt, dass meine Frau sehr religiös ist. Jedes zweite Wort handelt von der Kirche und vom Glauben, was ich nicht mehr hören kann. Mich stört einfach, dass meine Frau kein Interesse an Sex hat. Ich sehne mich nach einer Geliebten, die mir die Zärtlichkeit gibt, die ich vermisse und denke immer öfter über eine Trennung nach. Joseph
Lieber Joseph
Auf einen Lebensbereich zu verzichten, der einem wichtig ist, ist hart. Dieser Verzicht wird in Beziehungen oft als einseitig wahrgenommen. Schaut man dann genauer hin und lässt beide Partner erzählen, ändert sich in der Regel das Bild.
So könnte deine Frau hier vermutlich schreiben, wie sehr es sie belastet, dass du dich nie mit ihr über den Glauben austauschen willst, obwohl er für sie unglaublich wichtig und Sinn stiftend ist. Treten Sexualität und Religion als Gegenspieler auf, ist der Konflikt oft sehr verfahren, da meist sehr tief verwurzelte Bedürfnisse und Ansichten gegeneinander wirken und schnell Schuldgefühle ein Thema sind.
Das ändert nichts daran, dass deine Sehnsucht nach Zärtlichkeit real ist und es ist nichts falsch mit ihr. Aber frag dich ehrlich, ob dein Leben mit einer Geliebten wirklich besser wäre. Was würdest du aufgeben? Was würdest du deiner Frau zumuten?
Es gibt für euer Problem keine Patentlösung. Weiter kommt ihr nur, wenn ihr im Gespräch offen eure Wünsche klärt und besprecht, wie ihr unterschiedliche Bedürfnisse abfangen könnt. Je verfahrener die Situation und je ratloser ein Paar ist, was mögliche Kompromisse wären, desto mehr lohnt es sich, Unterstützung bei einem Profi zu holen.
Es gibt durchaus Männer, die sich in deiner Situation eine Geliebte suchen oder sich trennen. Auch dir stehen diese Optionen offen. Garanten für anhaltendes Glück sind sie nicht. Umso wichtiger ist, dass du dir gut überlegst, was du auf einem dieser Wege aufs Spiel setzen würdest.