Ich (36) gehe schon mehre Monate zu einer Psychiaterin, weil ich Probleme habe. Jetzt habe ich mich heftig in sie verliebt. Sie ist so nett und sympathisch, und ich kann mit ihr über alles reden. Ich weiss, dass wir in dieser Konstellation nicht zusammen sein können. Soll ich es ihr sagen oder soll ich einfach weiter hingehen, in der Hoffnung, dass sie mich besser kennenlernt und sich dann auch in mich verliebt? Marcel
Lieber Marcel
Es kommt immer wieder vor, dass sich Klienten in Behandler verlieben. Man verbringt viel Zeit zusammen, die Gespräche sind persönlich, es herrscht eine wertschätzende Stimmung. Dass auch Distanz und Ungleichheit wichtige Aspekte sind, wird ausgeblendet. Viele Klienten vergessen zudem, dass sie nicht einer Privatperson begegnen, sondern dass das Gegenüber mit einem Auftrag und einer Verpflichtung handelt.
Grund für einen übereilten Therapieabbruch sind romantische Gefühle aber nicht per se. Eine gewisse Verliebtheit kann sogar zum Erfolg einer Therapie beitragen. Beispielsweise, weil es dem Klienten leichter fällt, sich zu öffnen und sich für die Behandlung zu engagieren. Dazu braucht es aber eine kritische Distanz zur Verliebtheit und den eigenen Zielen.
Diese Distanz scheint dir zu fehlen. Mit deinem Plan, die Sitzungen zu nutzen, um die Psychiaterin für dich zu begeistern, betrügst du dich um deren Zweck. Sie sollen unterstützende Fachgespräche sein und keine Dates. Das wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass du für diese gemeinsame Arbeitszeit bezahlst.
Besprich deine Gefühle mit deiner Psychiaterin. Sie stellt dich deshalb nicht vor die Tür. Unter klaren Verhältnissen könnt ihr besprechen, wie diese Gefühle entstehen, welche Bedeutung und welche Folgen sie haben und wie es mit euch weitergehen soll.